Die Hoffnung liegt in den dunkeläugigen Kindern Cizîr’s

Kinder Cizîr's

Kinder Cizîr’s | Foto: JINHA

AMED – „Wir werden widerstehen bis die Knospen sich öffnen, der Rest ist leicht…“. So oder so ähnlich würden es Çavreş mit seinen schwarzen Augen sagen. Er hat seine Hoffnungen nun den Anderen anvertraut, da der Widerstand nicht mehr länger nur halten muss bis sich die Knospen öffnen….

Cizîr (türk. Cizre) ist eine 5.000 Jahre alte Stadt, nur ein Fleck an den Ufern des Tigris, dem Herzen Kurdistans. So mancher Eroberer hat sich an die Ufer dieses Flusses getraut, aber das Heiligtum von Cizîr hat den nach Macht Gierenden immer eine Lehre erteilt. Dieser Tage scheint dich Geschichte der Stadt Cizîr eine letzte Prüfung aufzuerlegen, dieser Stadt, die überall für Aufruhr sorgt und nie seine Menschen und die Liebe verliert.

Liegt es an den naheliegenden Bergen? Ist etwas im Wasser? Es ist schwer zu sagen, aber irgendetwas ist hier, was dich lehrt keine Angst zu haben, eine eigenartige Aura an diesem Ort. Scharfschützen, Mörser, Panzer und Haubitzen – seit 40 Tagen zieht der Staat all seine Kriegsmittel nach Cizîr, um dort der mörderischen Arbeit nachzugehen. Dies zu sehen. Dies zu spüren. Mit der Kamera zu berichten was hier geschieht. Es mit deinen Worten festzuhalten, damit es folgende Generationen erreicht. Dieser Tage erzählt Cizîr die Geschichte einer Stadt, die den Tod nicht fürchtet, an einem Ort an dem der Tod allgegenwärtig lauert.

In dieser Stadt, in der du die Berge riechen kannst, bedeuten die Berge Hoffnung. Dies ist der Grund warum die Kinder die Namen der Berge tragen: Besta, Cudi, Gabar, Kato … und so weiter. Die Barrikaden sind der revolutionären Jugend gewidmet: Agit, Marinos, Soro, Çavreş … usw., an jeder Straßenecke.

Wir kämpfen in den Straßen. Manche sagen, dass „jede Position zerbombt werden wird, eine nach der anderen, jedes Haus wird gestürmt werden“. Sollte dies passieren, so werden wir versuchen die Geschichte jedes Hause zu erzählen, eines nach dem anderen, von jeder Barrikade. Als wir uns eine Straße angucken, begrüßt uns eine Gruppe Jugendlicher mit einem breiten Grinsen. „Dies ist die Position Çavreş – No Pasarán!“, erzählen sie und und fangen an zu lachen. Kurz darauf wird heißer Çay (Schwarztee) gebracht und mit ihm kommt Çavreş (deut. schwarze Augen), groß, 27 Jahre alt, lachende Augen voller Hoffnung. Er möchte keine Fotos von sich machen lassen.

„Was will diese Jugend?“. Diese Frage stellen sich alle, in so vielen Fragen und wir stellen sie Çavreş. Und er beginnt zu antworten, skizziert dabei eine Stadt und ihre Menschen:

„Ich habe diese Pistole nicht ergriffen, um zu sterben oder zu töten. Ich habe sie genommen, um mich zu schützen und zu befreien. Ich habe es getan, weil es keine andere Wahl gibt. Leichen liegen seit über sieben Tagen in den Straßen, wie Frau Taybet. Kinder und Jugendliche haben Tag und Nacht Wache gehalten, damit keine Tiere an ihre Leiche gehen. So etwas tun sie uns seit Jahren an. Sie glauben, wir würden all das vergessen, aber wir werden niemals vergessen. Wir werden unseren Widerstand fortsetzen und es ihnen schwer machen. Vielleicht werden wir sterben, aber sie werde keine Nacht mehr ruhig in ihren Betten schlafen. So lange die Herzen der Jugend schlagen, werden wir es ihnen nicht leicht machen. Entweder wir werden frei sein oder sie mit uns in diese Hölle reißen…“.

Als wir uns verabschieden blickt uns Çavreş an, als würde er auch uns seine Hoffnung anvertrauen. „Wir werden widerstehen, bis die Knospen sich öffnen, der Rest ist leicht …“, sagt er.

Es sind keine 24 Stunden seit unserem Abschied vergangen, als wir erfahren, dass Çavreş von einem Scharfschützen erschossen wurde. Unten auf den Straßen des Widerstands hallt die überwältigende Trauer einer Mutter. „Çavreş, Çavreş!“, schreit sie. „Mein Çavreş, mein Çavreş, der jedem Hilferuf nach geeilt ist. Du hast gelächelt, selbst als du diese Welt verlassen hast. Was passierte mit den Kugeln die dich nicht durchschlugen konnten …“.

Dieses bezaubernde Lächeln ist in den Schreiben der Mutter unsterblich geworden, sage ich mir selbst und wenn ich mich nun umgucke, dann sehe ich es in jedem leblosen Körper und in den Gesichtern der Kinder und Jugendlichen die noch dort sind ….

Die Leben hier sind tatsächlich verborgen, wie Çavreş kurze Geschichte. Tod, Leben, Widerstand, Existenz und Freiheit ….

JINHA, 21.01.2016, ISKU

Dieser Beitrag wurde in Bakur/Nordkurdistan/Südosttürkei, Jugend, Presse veröffentlicht und getaggt , , , . Ein Lesezeichen auf das Permalink. setzen. Sowohl Kommentare als auch Trackbacks sind geschlossen.