Verhaftungen, Massaker, Vertuschungen und Widerstand

Massaker in Cizîr | Foto: DIHA

Ciẑir | Foto: DIHA

BAKÛR – Nazım Daştan, ein Reporter der kurdischen Nachrichtenagentur DIHA wurde am Donnerstag auf dem Weg nach Hause festgenommen und einem Staatsanwalt vorgeführt. Laut bisheriger Meldungen soll er „Propaganda für eine verbotene Organisation“ über Facebook betrieben haben. Nazım Daştan wurde in ein Typ H Gefängnis nach Dîlok (türk. Antep) verbracht und sitzt dort seit gestern ein.

Ebenfalls gestern wurde die DIHA Reporterin Beritan İrlan in Cizîr (türk. Cizre) festgenommen. Sie befand sich in der Umgebung der Ort, an denen die Massaker statt gefunden haben, um genauere Informationen und Bilder zu erhalten und wurde dabei von Spezialeinheiten gewaltsam festgesetzt, da sie die „Ausgangssperre nicht befolgt“ haben soll. Sie wurde in das Polizeirevier Murat Akançay verbracht.

Mit ihr wurden auch 15 Familienangehörige der massakrierten Opfer festgenommen, die sich ebenfalls zu den Gebäuden und Kellern bewegten, um mehr über den Tod ihrer Liebsten zu erfahren.

Auch in Nisêbîn (türk. Nusaybin) kam es zu Verhaftungen von Journalist_innen, so wurden der französische Fotojournalist Gael Cloarec und die türkische Reporterin Duygu Yıldız (siyasihaber.org) verhaftet. Beide wurden im Kulturzentrum Mitanni bisher ohne jegliche Begründung festgenommen und in eine Polizeiwache verbracht.

Der Weil wurden weitere 30 Leichname aus Cizîr nach Riha (türk. Urfa) zur Autopsie überstellt, damit befinden sich in Riha mittlerweile 36 Leichname von den Massakern in Cizîr. Ingesamt wurden bisher 82 Leichname aus den Trümmern der Gebäude und Keller geborgen, in denen laut bisheriger Angaben 149 Menschen Schutz vor den türkischen Angriffen gesucht haben.

Währenddessen hat sich in Mêrdîn (türk. Mardin) Krisentreffen aus der Stadtverwaltungs Mêrdîn’s, der DBP (Demokratik Bölgeler Partisi – Demokratische Partei der Regionen), dem MEYADER und der mesopotamischen Anwaltsvereinigung für die Unterstützung der Familien, der ermordeten Menschen in den Gebäuden und Kellern Cizîr’s. Das gemeinsame Treffen veröffentlichte eine Stellungnahme, in der von mittlerweile mehr als 100 ermordeten Menschen gesprochen wird. Zwei der größtenteils bis zur Unkenntlichkeit verbrannten und verstümmelten Leichname konnten als Sultan Irmak und Fehmi Dinç identifiziert werden, bisher haben sich über 60 Familien bei dem neu gegründeten Treffen gemeldet.

Nachdem der türkische Staat gestern offenkundig das Ende der militärischen Offensive in Cizîr bekundete, versucht er nun jegliche Beweise für die Massaker in der Stadt zu vernichten. Die betroffenen Stadtteile sind weiterhin hermetisch abgeriegelt und sind de facto Sperrgebiet. Der HDP Abgeordnete Faysal Sarıyıldız, der sich seit Beginn der Ausgangssperren vor rund 2 Monaten in Cizîr befindet, twitterte gestern: „Der Innenminister hat gestern das Ende der Operation in Cizîr bekannt gegeben. Dennoch werden Häuser weiter in Brand gesteckt. Wollen sie die Beweise für ihre Verbrechen vernichten?“.

Aber auch der Widerstand blieb nicht untätig, so konnten die YPS (Yekîneyên Parastina Sivîl – Zivilen Verteidigungseinheiten) und YPS-Jin (Yekîneyên Parastina Sivîl-Jin – Zivile Frauenverteidigungseinheiten) 14 türkische Soldaten und Polizisten, sowie einen Leutnant töten, außerdem zwei gepanzerte Fahrzeuge und einen Bagger zerstören. Eine detailierte Stellungnahme der YPS/YPS-Jin folgt in Kürze.

ANF, 12.02.2016, ISKU

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