„Das, was sie uns hier antun, ist mit nichts zu vergleichen“ – Telefonmitschnitte mit Eingeschlossenen in Sûr

680x680nc-dyb-21-02-2016-surda-mahsur-kalanlar-ses-kaydiSibel Yiğitalp, die Abgeordnete der HDP von Amed (Diyarbakır) hat Mitschnitte von Telefongesprächen, die sie mit Eingeschlossenen in Sûr, namentlich Seniha Sürer und mehreren Mitgliedern deren Familie  geführt hat, veröffentlicht.

Sibel Yiğitalp: Seniha sag mir wie eure Lage ist.

Seniha Sürer: Kannst du mich hören?? (Im Hintergrund sind die Geräusche von Schüssen zu hören.)

Sibel Yiğitalp: Ich höre dich Seniha. Wenn eure Lage kritisch ist sag mir was los ist.

Seniha Sürer: Im Moment sind hier 15 Frauen, Verletzte, die meisten Verletzten sind Frauen, mehr Frauen als Männer.

Sibel Yiğitalp: Okay, okay. Mach schnell wie ist eure Lage?

Dieses erste Gespräch wird da die Bombardierrungen andauern mitten im Gespräch unterbrochen. Beim zweiten Versuch des Anrufs nimmt jemand das Gespräch an der seinen Namen nicht nennt und gibt die Namen der Kinder an die sich bei ihnen befinden.  

Sibel Yiğitalp: Ich habe eine Frage, kannst du mir die Namen der Kinder angeben?

Seniha Sürer: Die in Sur eingeschlossene Person: Im Moment sind 7 Kinder bei uns. Einen Moment, soll ich dir ihre Namen sagen?

Sibel Yiğitalp: Ja, ja.

Seniha Sürer: Die in Sur eingeschlossene Person: Elif Su Aslan 4 Monate, Özgür Aslan 3 Jahre, Muaz Aslan 4 Jahre, Rojda Aslan 7 Jahre, Gülistan Aslan 11 Jahre, Beritan Tosun 2 Jahre, Şerif Tosun 10 Jahre. Das sind allein die Kinder die sich bei uns befinden. An anderen Orten sind weitere. Ihre Nachnamen weis ich jedoch nicht.

Sibel Yiğitalp: Sag ihre Namen
Die in Sur eingeschlossene Person: Eines von ihnen heißt  Veli 9-10 Jahre alt, eines Ruken 4-5 Jahre alt, eines Berfin, sie ist 4 oder 5 Jahre alt, sie sind weiter von uns entfernt, in einer der hinteren Straßenzeilen. Wir haben keine Nachricht über sie.

Sibel Yiğitalp: Wie viele Erwachsene sind dort bei euch?

Seniha Sürer: Die in Sur eingeschlossene Person: Hier sind insgesamt 30 bis 35 Menschen.

Sibel Yiğitalp: Wie viel Frauen, wie viel Männer?

Seniha Sürer:Die in Sur eingeschlossene Person: Zumeist Frauen.

Sibel Yiğitalp: Wir wollen beim (Europäischen) Gerichtshof für Menschenrechte vorstellig werden, deshalb brauchen wir die Daten, um das alles zu beschleunigen frage ich.

Der dritte Anruf verläuft folgendermaßen:

Seniha Sürer: Das, was sie uns hier antun, ist mit nichts zu vergleichen.

Sibel Yiğitalp: Ja.

Seniha Sürer: Hier sind alle Häuser um uns herum zerstört, die Gebäude eingestürzt. Es gibt keinen einzigen Ort mehr in den wir uns flüchten könnten. Wir sind in einem Keller. Es sind Kinder bei uns, es sind Babys bei uns. Es gibt hier auch Verletzte. Wir stillen das Blut der Verletzten mit Windeln. Verstehst du, das was hier mit uns gemacht wird ist mit nichts vergleichbar.

Seniha Sürer: Hier sind 30 bis 35 Menschen, wo anders sind weitere, auch unter den Schutt der Häuser sind welche.

Sibel Yiğitalp: Ja

Seniha Sürer: Wir können einander nicht in Kontakt treten. Es ist unmöglich für uns den Ort an dem wir uns befinden zu verlassen. Über den Tag schlagen hier allein mindestens 20 Mörser in unserer Richtung ein, Panzer… versteht doch, niemand hat hier Nachricht über den anderen. Wir befinden uns in einer verzweifelten Lage. Warum tut ihr denn nichts? Warum sucht ihr keine Hilfe bei den Gerichten? Was soll das für eine Gerechtigkeit sein? Was ist das für ein Staat?

Sibel Yiğitalp: Seniha, was ist aus Fatma (Fatma Ateş)  geworden?

Seniha Sürer: Fatma ist meine Nachbarin von gegenüber. Sie ist nach draußen gegangen um sich (dem Ritus entsprechend) zu waschen, für die rituelle Waschung verstehst du. Als sie raus ging, ich weiß nicht woher der Mörser kam. Vielleicht habt ihr sie gesehen. Ich selbst bin noch zu ihr hingerannt durch Staub und Rauch. Bin zu ihr geeilt, seltsam nicht wahr. Um das Blut zu stillen, mit nichts in der Hand um es zu stillen. 4-5 Stunden blieb sie noch dort. Ist dort verblutet.

BestaNuçe; 21.02.2016, ISKU

 

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