Bakur/Nordkurdistan – Eine weitere Augenzeugin des Massakers von Cizîr (Cizre) meldete sich zu Wort. Während vor dem Menschenrechtsgerichtshof ein Antrag auf einstweilige Verfügung gestellt wurde, hat die Türkei zu ihrer Verteidigung angegeben, die betreffenden Personen hätten „bei einem Gefecht ihr Leben verloren“, eine Augenzeugin des Massakers bestätigt jetzt, was zuvor schon ein anderer Zeuge (siehe entsprechenden Bericht von Serhildan) berichtet hat. Die Ermordeten sind nicht bewaffnet gewesen und bei einem Gefecht zu Tode gekommen. Nein, es waren Zivilisten, es waren Wehrlose, die einer Übermacht von Soldaten gegenüber standen und von diesen abgeschlachtet wurden.
Auch bei dieser Zeugin wird aus Sicherheitsgründen ihr wahrer Name nicht genannt. Sie wird hier Taybet genannt. Taybet ist eine ältere Frau. Sie lebt im Viertel Sur von Cizîr (Cizre). Sie sagt, sie habe am 37. Tag der Angriffe des türkischen Staates auf Cizîr ihre Wohnung verlassen müssen. Ab und an wäre sie aber heimlich zu ihrer Wohnung zurückgekehrt, um nach dem Rechten zu sehen. „Als ich in die Wohnung kam, hörte ich von draußen Stimmen. Hörte wie Personen sagten: ‚Wir kommen raus. Wir sind unbewaffnet.‘ Ich sah heimlich aus dem Fenster.“ Sie sieht von dort aus in den Garten des zweistöckigen Hauses, das neben dem ihren liegt und das im Volksmund als der Dritte Keller des Grauens von Cizîr bezeichnet wir. „Aus dem Innern des Hauses kamen Menschen in den Garten, alles junge Leute. Kann sein, dass auch Verletzte darunter waren, einige hinkten. Ich zählte sie, genau 9 Personen, sie hatten keine Waffen. Ihnen gegenüber Soldaten, die Waffe auf sie gerichtet, wartend bis alle draußen waren. Plötzlich begannen die Soldaten zu schießen. Dort haben sie die jungen Leute hingerichtet. Das habe ich mit meinen eigenen Augen mit ansehen müssen. Der Garten wurde zu einer Blutlache. Als das Ausgangsverbot aufgehoben wurde bin ich noch mal hin und habe nachgesehen, die Spuren des Blutes sind noch dort.“
Taybet erklärt, dass sie nach den Ermordungen, dessen Zeugin sie wurde, zwei Tage lang nicht die Wohnung verlassen habe. „Die Leichname der jungen Leute blieben den Tag über dort liegen. Am nächsten Tag habe ich gesehen wie sie sie hinters Haus geschleift haben. Später stieg Rauch auf, der Geruch von Verbranntem war zu riechen. Da begriff ich, dass sie die Leichname verbrannten“, so Taybet, „Ich bin eine alte Frau. Was ich in meinem Leben erleben musste, ist geschehen und nicht zu ändern. In dem bisschen was mir noch bleibt wurde ich nun Zeugin des Todes so junger Menschen.“
BestaNûçe, 12.03.2016, ISKU