Bakur/Nordkurdistan – Sechs Mal wurde in Sûr (Amed) die Ausgangssperre verhängt. Zuletzt am 2. Dezember 2015. Sie dauert weiterhin an. Während dieser Ausgangsperren wurden durch die Bombardierungen des türkischen Militärs hunderte Häuser völlig zerstört, darunter auch viele historische Bauten. Mittlerweile wird Sûr mittels einer Betonmauer von der übrigen Welt getrennt. Wie jetzt bekannt wurde, hat die Zusammenkunft der Minister am Sonntag beschlossen, das große Teile Sûrs baldmöglichst von Seiten des Stadt- und Umweltministeriums zu „öffentlichen Eigentum“ zu erklären sind. Heute wurde in den Medien dann eine entsprechende Verfügung veröffentlicht und in den Stadtvierteln Abdaldede, Alipaşa, Cemal Yılmaz, Camii Kebir, Cevatpaşa, Dabanoğlu, Hasırlı, İnönü, İskenderpaşa, Lalebey, Melik Ahmet, Özdemir, Savaş, Süleymangazi, Şemhane und Ziya Gökalp insgesamt 348 Flächen zu „öffentlichem Eigentum“ erklärt. In selbiger Verfügung wurde neben den Gebieten in Sûr auch zwei Gebiete des Kreises Yenişehir (insgesamt 15 Flächen) zu „öffentlichem Eigentum“ erklärt.
Ein Gebäude, das von der Maßnahme betroffen ist, gehört zum Beispiel dem Rathaus von Sûr. Hier werden verschiedene Unterstützungsangebote für die Bevölkerung angeboten. Außerdem sind Dengbej Haus, Cemilpaşa Konağı (Stadtmuseum) und Grünflächen, die ebenfalls in Besitz des Rathauses sind, betroffen. Die zu „öffentlichem Eigentum“ erklärten Flächen und Häuser sollen der Toplu Konut İdaresi (TOKİ) überstellt werden. 162 Parzellen mit insgesamt einer Fläche von 135 Hektar wurden bereits zuvor der TOKI überantwortet.
Viele sehen die Maßnahme als Teil eines Maßnahmen Plans, des sogenannten „Master Aktion Plan, der am 28. Januar auf einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates gefasst wurde.
Die Co-Bürgermeisterin von Amed Gültan Kışanak verurteilte den Beschluss der Ministerrates aufs schärfste und kündigte rechtliche Schritte gegen die zur Habenahme von 82% Fläche des Bezirkes an. Gültan Kışanak führt aus, dass von 7714 Parzellen 6300 Parzellen zu „öffentlichem Eigentum“ erklärt wurden. Das ist eine Fläche von 82% vom Zentrum von Sûr. Zurück bleiben 18% die bereits zuvor im Rahmen des „Stadt im Wandel“ zu „öffentlichem Eigentum“ erklärt und der TOKI überantwortet worden waren. Gültan Kışanak zieht Fazit, „der Ministerrat hat die zur Habenahme des Zentrums von Sûr beschlossen“ und verdeutlicht: „Man kann doch nicht so einfach hingehen und zu dem Besitz, der ja bestimmten Personen gehört, sagen ‚So das gehört jetzt mir‘. Das ist rechtlich gesehen doch gar nicht machbar. Außerdem wird Eigentum, das bereits öffentliches Eigentum ist, berührt. Öffentliches Eigentum kann nicht durch irgendeine andere Institution zur Habe genommen werden. Es sind sogar Orte betroffen, die der Ausübung der Religion dienen.“ Sie weist darauf hin, dass das „in einem Rechtsstaat ein Unding wäre. Nach allem, was in Sûr geschehen ist wären jetzt Entschädigungszahlungen am Platz gewesen. Der Staat hat eine Maßnahme durchgeführt und hat Schaden verursacht und müsste jetzt eigentlich für den Schaden aufkommen und zahlen. Stattdessen kommt er, und nimmt alles zur Habe. Das ist nicht etwas, das im 21. Jahrhundert so zu machen sei.“
ANF, 25.03.2016, ISKU