Operationen „beendet“, Ausgangssperren halten an

GeverBakur/Nordkurdistan – Die seit 160 Tagen anhaltende Ausgangssperre in Sûr, dem Altstadtviertel von Amed (Diyarbakir), hat bisher 62 Todesopfer gekostet. 11 weitere Menschen kamen im Umland von Sûr zu Tode, teils bei Protesten aus Solidarität mit Sûr, teils handelt es sich aber auch um zufällige Opfer der Angriffe der türkischen „Sicherheitskräfte“, z.B. weil eine Granate „zufällig“ in ein Haus einschlug. Unter den Toten aus Sûr befinden sich nachweislich Zivilist*innen, darunter der 70-jährige Salih Baygın. Ein alleinstehender Mann, der unter Asthma litt. Er fiel dem Tränengas zum Opfer. Oder auch die 55-jährige Fatma Ateş. Auch zwei Jugendliche wären zu nennen. Sie waren auf dem Weg zur Arbeit. Frühmorgens bei der Bäckerei, in der sie arbeiteten, wurden sie von „Sicherheitskräften“ des türkischen Staates ermordet. Auch bei ihnen handelt es sich nachweislich um zivile Opfer. Sie seien hier nur Stellvertretend für all die anderen Zivilist*innen genannt, die in Sûr durch die Angriffe des türkischen Staates ihr Leben verloren haben.

Viele Leichname konnten erst nach Beendigung der Operation (sie wurde am 9. März offiziell  für „beendet“ erklärt) geborgen werden. Einige Leichname sind wegen der Ausgangssperre weiterhin im Viertel. Einige der Getöteten waren nachweislich nach „Beendigung“ der Operation noch am Leben. Unter den Toten sind Jugendliche im Alter von 13 Jahren.

In Gever (Yüksekova) wird es nicht viel anders gewesen sein. Bisher kamen insgesamt 77 Leichname aus Gever ins Leichenschauhaus von Erzîrom (Erzurum). Von ihnen konnten 25 identifiziert werden. Diese wurden von ihren Angehörigen abgeholt und beerdigt. 17 weitere sind gerade erst ohne Feststellung ihrer Identität und ohne Erlaubnis der Verwandten aus dem Leichenschauhaus entführt und anonym verscharrt worden. Zuvor waren schon einmal 35 Leichname, die aus Gever stammten, entführt und verscharrt worden. Doch viele Angehörige können nicht nach ihren toten Verwandten suchen. Entweder weil sie selbst vertrieben sind, oder weil sie noch in Gever sind, aber wegen der immer noch andauernden Ausgangssperre ihre Wohnungen nicht verlassen können.

In Gever wurde die Operation vor 21 Tagen für „beendet“ erklärt, aber die Ausgangssperre dauert nun schon den 58. Tag an. Während viele Einwohner die Stadt verlassen haben und ins Umland abgewandert sind, haben etwa 10.000 Einwohner in den Stadtteilen Yenimahalle, Esenyurt, Esentepe und İpek sich nicht vertreiben lassen. Sie haben die Tage der Bombardierung ihrer Stadtteile und die Ausgangsperre ertragen. Mehr noch, sie haben ihre Türen all jenen geöffnet, die vom türkischen Staat zwangsweise aus ihren Wohnungen vertrieben wurden. Sie leben so jetzt zumeist mit 15 bis 20 Personen in einer Wohnung. Trotzdem sagen sie: „Wir lassen uns nicht vertreiben. Wir haben hier zwei Monate ausgeharrt und sind geblieben. Wir bleiben auch weiterhin.“ Jetzt rufen sie alle dazu auf, in ihre Stadt zurückzukehren und Gever gemeinsam mit ihnen wieder aufzubauen.

BestaNûçe, ANF, 09.05.2016, ISKU

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