Türkei entfernt sich weiter von Demokratisierung

Der Mob ist losEiner Erklärung des Justizministers Bekir Bozdağ zu Folge sollen „im Zusammenhang mit dem Putschversuch aktuell 6000 Haftbefehle erteilt worden“ sein.

Darunter Generalleutnant Akın Öztürk, ehemals Kommandant der Luftstreitkräfte und der General Metin İyidil, beide mit dem Vorwurf des „Landesverrats“. Generalleutnant Akın Öztürk wird als Rädelsführer des Aufstands in der Armee gehandelt.

Anderen Meldungen zu Folge soll hingegen der Oberst Muharrem Köse den Putsch initiiert haben. Generalleutnant Akın Öztürk, ehemals Kommandant der Luftstreitkräfte und der General Metin İyidil beteuern in persönlichen Erklärungen hingegen einhellig nichts mit dem Aufstand zu tun gehabt zu haben. Sie hätten alles in ihrer Macht stehende getan, um das Militär zu einer Abkehr ihres Handelns zu bewegen. Generalleutnant Akın Öztürk fügte seiner Erklärung noch hinzu, dass er sich an der Seite Generalleutnant Hulusi Akar, Chefs der türkischen Streitkräfte, befunden habe und mit diesem im Einklang gehandelt habe.

Allein in Ankara sollen inzwischen 29 Generäle und 2389 Soldaten verhaftet worden sein, aber auch 149 Polizisten, weitere 79 Polizisten wurden in Erzurum verhaftet.

Von der Säuberungswelle sind allerdings auch 2745 Richter und Staatsanwälte erfasst worden. Darunter auch Richter am Oberverwaltungsgericht, am Obersten Gerichtshof so wie 2 Mitglieder des Verfassungsgerichts.

Ertuğrul Kürkçü, Co-Vorsitzender der HDK (Demokratischen Kongress der Völker), verurteilte jegliche Versuche eines Staatsstreichs, sieht aber Parallelen der Ereignisse vom 15. Juli mit dem Militärputsch vom 21. Mai 1963. Ertuğrul Kürkçü mutmaßt, dass Erdoğan den Putschversuch dazu nutzen könnte, seine Widersacher zu liquideren und so die Alleinherrschaft zu erringen. In seinen Augen erlebt die Türkei seit dem 7. Juli einen Staatsstreich unter Führung Erdoğans. Für Kürkçü hatte der Staatsstreich Erdoğans drei Phasen. Er begann unter Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu mit dem Feldzug gegen die Kurden und schloss die Wahlen vom 1. November mit ein. Die zweite Phase begann, als die Regierung an Stelle von Ahmet Davutoğlu Binali Yıldırım an die Spitze der Minister setzte. Der Putschversuch vom 15. Juli stellt für Ertuğrul Kürkçü nur eine weitere Phase des Staatsstreichs Erdoğans dar. Bestätigt sieht er dies dadurch, dass „tags darauf mehr Richter und Staatsanwälte verhaftet wurden als Militärs“ und moniert, dass statt die Situation für eine demokratische und gesellschaftlichen Annährung zu nutzen, der Palast und die Regierung die Chance ausnutzen würden, um Vergeltung für die erlittene Niederlage zu üben. Im Folgenden spricht sich Kürkçü dafür aus Soldaten, die nur ihren Militärdienst ableisten und in die Ereignisse verwickelt wurden, frei zu lassen und nur die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.

Kürkçü verurteilte die Lynchjustiz an Soldaten, mehrere Soldaten, die sich ergeben hatten, wurden erschlagen und die Kehle durch geschnitten. Er forderte die Verfolgung und Bestrafung der Täter. Auch im Strafverfahren gegen die aufständischen Militärs sollten die Grundsätze eines fairen Verfahrens Beachtung finden, warnt Kürkçü, Straftaten seien im Rahmen des persönlichen Fehlverhaltens und nicht in einer kollektiven Bestrafung zu ahnden. Auch sei davon Abstand zu nehmen jenen, die jetzt die Wiedereinführung der Todesstrafe einfordern, mit Verständnis zu begegnen und ihnen Hoffnungen zu machen.

Die Regierung, so Kürkçü, sollte Abstand nehmen von der Annahme, dass die Niederschlagung des Militäraufstands als Zustimmung zum Übergang zu einem ein-Personen-Regime zu werten sei und forderte die Völker der Türkei auf im Sinne der Neugründung der Türkei, als gemeinsame Heimat gleichberechtigter und freier Bürger, schleunigst für die Bildung einer demokratischen Front tätig zu werden.

ANF, Cumhuriyet, 17.07.2016, ISKU

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