Gemeinsame Erklärung der Angehörigen von Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez zum Tod von Ömer Güney, 17.12.2016
Am Freitag, den 16.12.2016, wurde uns durch unsere Anwälte mitgeteilt, dass Ömer Güney, der dringend Tatverdächtige im Mordfall von Sakine, Fidan und Leyla, schwer erkrankt sei und sein Anwalt deswegen seine vorzeitige Haftentlassung fordere. Die Forderung des Anwalts werde am Montag, den 19.12. vom zuständigen Gericht geprüft. Wir, als die Angehörigen der Opfer, wollten gerade zu Beratungen über diese neue Situation zusammenkommen, als wir von der Nachricht, dass Ömer Güney mittlerweile verstorben sei, überrascht wurden.
Kurz nach dem schrecklichen Mord vom 9. Januar 2013 hatten die französischen Behörden die Untersuchungen eingeleitet. Diese hielten mehr als zwei Jahre an und wurden erst im Mai 2015 abgeschlossen und das Ergebnis am 9. Juli 2015 dem Gericht übermittelt. Obwohl die Untersuchungen Mitte 2015 beendet wurden, ist uns lange nicht mitgeteilt worden, wann das Gerichtsverfahren aufgenommen wird. Nach einer weiteren langen Pause wurde schließlich erklärt, dass die Verfahrenseröffnung vor dem Pariser Strafgericht am 5. Dezember 2016 eröffnet werden sollte. Doch dann wurde ohne Begründung im Juni 2016 verkündet, dass die Verfahrenseröffnung abermals verschoben werden soll, und die Prozesstermine wurden zwischen dem 23. Januar und dem 21. Februar 2017 datiert. Bis zu diesem Zeitpunkt taten wir diese Verschiebungen als die gewöhnliche Trägheit der französischen Justizbehörden ab.
Vor dem Hintergrund der neuen Situation möchten wir, als die Familienangehörigen der drei Opfer, allerdings folgende Frage stellen:
Warum wurde das Verfahren gegen Ömer Güney bis heute nicht eröffnet, obwohl bereits seit seiner Festnahme klar war, dass dieser über gesundheitliche Probleme klagt und Güney regelmäßig von Ärzten untersucht wurde?
Weshalb wurde der Zeitraum der Untersuchungen gegen Ömer Güney sechs Monate weiter hinausgezögert, wenn doch nach den ersten zwei Jahren der Untersuchung, außer einigen wenigen offiziellen Dokumenten, keine weitere Erkenntnisse zu der Untersuchungsakte hinzugefügt wurden und die Gesundheitsprobleme des Tatverdächtigen bekannt waren?
Weshalb wurde der Prozessbeginn auf den Januar 2017 datiert, wenn bereits Mitte 2015 die offiziellen Untersuchungen abgeschlossen wurden? Weshalb kam es zu der letzten Verschiebung des Prozessbeginns vom 5. Dezember 2016 auf den 23. Januar 2017?
In den Untersuchungsakten und der Anklageschrift wird dargelegt, dass es sich bei dem Mord um eine organisierte Tat handelt, hinter der nicht nur eine Einzelperson steht, sondern der türkische Geheimdienst MIT. Vor diesem Hintergrund stellen wir die Frage, weshalb kein anderer Täter ausfindig gemacht wurde und das Verfahren auf die Einzelperson von Ömer Güney beschränkt werden sollte?
Wir, als die Angehörigen der Opfer, erwarten Antworten auf diese Fragen.
Wir haben stets gefordert, dass die Kräfte hinter dem Mord ans Tageslicht gebracht werden sollen. Unzählige Mal haben die kurdische Bevölkerung und wir, die Familienangehörigen, auf demokratischen Protestkundgebungen die französische Justiz zur Gerechtigkeit und Aufklärung aufgerufen. Wir haben bei jeder Gelegenheit die politischen Institutionen in Frankreich aufgefordert, aufgrund von politischen und wirtschaftlichen Interessen, die tatsächlichen Kräfte hinter dem Mord nicht zu decken. Mindestens genauso oft haben wir gewarnt, dass der mutmaßliche Mörder unter Umständen aus dem Weg geschafft werden könnte. Und trotz unserer unzähligen Warnungen behielten wir letzten Endes leider doch Recht.
Es sieht danach aus, dass ein bereits seit langer Zeit niedergeschriebenes Drehbuch nun in die Tat umgesetzt wurde. Denn wenn es zu dem Verfahren gekommen wäre, dann wäre nicht nur Ömer Güney vor Gericht gestellt worden. Auch der türkische Staat, der türkische Geheimdienst MIT und die türkische Regierung wären mit ihm vor Gericht gestellt und verurteilt worden. Ömer Güney war eine Spielfigur und mit seiner Beseitigung wurde der türkische Staat geschützt.
Verantwortlich für diese Situation sind die französischen Behörden.
Wir, als die Angehörigen der Opfer, werden die Akte und diesen Fall weiter verfolgen. Der Täter war nicht alleine. Die übrigen Täter müssen gefunden und vor Gericht gestellt werden. Nur weil ein Verdächtiger beseitigt wurde, darf die Akte nicht geschlossen werden und der türkische Staat einem Prozess nicht entkommen.
Wir möchten die Öffentlichkeit informieren und bitten alle um Hilfe, die Gerechtigkeit wollen.
Metin Cansız, Bruder von Sakine Cansız
Hasan Doğan, Vater von Fidan Doğans
Cumali Şaylemez, Vater vonLeyla Şaylemez