Hände weg von Şengal! Wir Êziden werden uns weiterhin selbst organisieren!

Êzîdischer FrauenratDer Vertreter der Regionalregierung Kurdistan-Irak (KRG) und Funktionär der Demokratischen Partei Kurdistans (PDK) Necirvan Berazani droht mit einem Angriff auf Shengal.

Als Dachverband des Ezidischen Frauenrats e.V. schließen uns einer Erklärung des Rates der Êzid*innen zum Wiederaufbau von Shengal, der Partei für Freiheit und Demokratisierung der Ezid*innen (PADÊ), der Bewegung der Freien Frauen Shengals (TAJÊ) sowie des Rates der Jugend Shengals vom 26.12.2016 bezüglich dieser Drohungen an.

Die gemeinsame Erklärung lautet:

Durch den Angriff der sog. Terrororganisation S (Islamischer Staat) und ihrer Verbündete am 3. August 2014 gegen die êzidische Bevölkerung und durch die Mitverantwortung der Peshmerga der autonomen Region Kurdistans, die ihrer Aufgabe der Verteidigung der Bevölkerung in Shengal nicht nachkamen, wurden Hunderte Menschen auf grausame Weise hingerichtet. Tausende Mädchen, Frauen und Kinder wurden verschleppt und vom IS auf „Sklavinnenmärkten“ verkauft. Hunderttausende Menschen wurden zur Flucht gezwungen.

In dieser Situation, als es keine andere Verteidigungskraft gab um diesen Genozid zu stoppen, eilten die Guerillakräfte der PKK (HPG, YJA-STAR) sowie Kämpferinnen und Kämpfer der YPG und YPJ aus Nordsyrien (Rojava) mit den wenigen ihnen zur Verteidigung stehenden Kräften herbei. Sie verhinderten schlimmere Folgen des Genozids, indem sie einen Fluchtkorridor nach Nordsyrien schufen. Bis zum heutigen Tag werden die in den Gebirgen Shengals eingeschlossenen Êziden von der Guerilla unter großen Verlusten verteidigen.

Statt diese Erfolge und Entwicklungen zu begrüßen und den noch andauernden Widerstand gegen die noch kämpfende Terrororganisation IS zu unterstützen, lehnt sich die Führung der PDK, die die Regionalregierung Kurdistan-Irak usurpiert hat, gegen die Selbstorganisierung und die selbstbestimmten Verwaltungsstrukturen unserer Bevölkerung auf, und droht uns mit Angriffen.

Die Guerilla der PKK war die erste Verteidigungseinheit, die in der schwersten Zeit des Genozids unserer Bevölkerung zur Seite stand. Und noch immer verteidigen sie uns und sind eine der wichtigsten und erfolgreichsten Kräfte im Kampf gegen die Terrororganisation IS. Solche Drohungen von Nêcîrvan Barzani spielen der Terrororganisation IS in die Hände. Sie verschließen den Weg zum Zusammenhalt und zur Einigkeit unserer Bevölkerung. Sie sind mit verantwortlich dafür, dass sich unsere Bevölkerung, die sich weiterhin in Gefangenschaft der Terrororganisation befindet, nicht befreien kann.

Shengal liegt außerhalb der derzeitigen Grenzen der Region Kurdistan-Irak und ist rechtlich an den Zentralstaat Irak angebunden. Somit ist die kurdische Regionalregierung überhaupt nicht zuständig für Shengal. Wenn wir als Êzid*innen und die Region Shengal für die PDK und Necîrvan Barzani so wichtig sind, warum haben ihre Peshmerga uns am Tag des Genozids gegenüber der Terrororganisation in Stich gelassen? Anstatt sich für diese Geschehnisse und ihr Verhalten bei der Bevölkerung zu entschuldigen und die Verantwortlichen der PDK, die ihrer Pflicht und Aufgabe der Verteidigung in Shengal nicht nach gekommen sind, zur Verantwortung zu ziehen, passiert das Gegenteil. Diejenigen, die durch ihre unterlassene Hilfe eine Mitverantwortung am Genozid tragen, erhielten Auszeichnungen und noch mehr Befehlsgewalt als zuvor.

Das Embargo, das die PDK in jeder Hinsicht gegen Shengal verhängt hat, die Verhinderung der Rückkehr der êzidischen Bevölkerung nach Shengal und die Hindernisse beim Wiederaufbau Shengals offenbaren die Entvölkerung Shengals als das wahre politische Ziel.

N. Berzani hat seine Drohungen kurz nach einem Treffen mit dem türkischen Präsidenten T. Erdogan abgegeben. Erdogans Ziel ist die Vernichtung aller ihm kritisch gegenüberstehenden Minderheiten und Oppositionellen auch über die türkischen Landesgrenzen hinaus. Die PDK hat bereits in den vergangenen Jahren und verstärkt in der letzten Zeit kritische Journalist*innen, Aktivist*innen und Nichtregierungsorganisationen, extralegal ohne jegliche rechtliche Befugnis teilweise durch ihre Sicherheitskräfte ihre Räume und sogar privaten Räume durchsucht, sie ihrer Arbeitsplätze verwiesen und darüber hinaus inhaftiert und währenddessen nachweislich gegen ihre Menschenrechte verstoßen. Dies geschah im Jahr 2016 unter anderem bei der Verhaftung der Journalistin Aysel Avesta und der Schließung der Frauenorganisation Repak mit Sitz in Hewler. Deren Mitarbeiterinnen wurden außerhalb der Stadtgrenze im Nirgendwo ausgesetzt und mit einem Einreise in die Stadt Hewler- Erbil belegt. Anfang Januar 2017 wurde das Büro der êzidischen NRO Yazda aus noch ungeklärten Gründen von den KDP-Sicherheitskräften durchsucht und geschlossen. Es wurden Wohnungen, in denen sich Aktivist*innen der Platform der Ezid*innen aus Nordkurdistan-Türkei in der KRG aufhielten durchsucht und diese wurden des Landes verwiesen und gegen sie ein Einreiseverbot in die KRG verhängt.

Mit diesen Praktiken offenbart die PDK ihre Feindschaft gegenüber Bürgerrechten, gegen Oppositionelle und Minderheitengruppen wie den Êzid*innen, die ihre Herrschaftspolitik nicht unterstützen. Während die êzidische Bevölkerung aus der Shengal Region einem Genozid/Feminizid der Terrororganisation IS ausgesetzt ist, betreibt die PDK vor den Augen der Weltöffentlichkeit eine Anti-Êzidenpolitik und die Entvölkerung in der Shengal-Region. Aufgrund eigener wirtschafts- und geopolitischen Interessen unterstützt sie so letztlich das genozidiale Vorgehen der Terrororganisation und der AKP Regierung.

Die PDK und AKP können es offensichtlich nicht ertragen, dass sich die Êziden in Shengal, insbesondere die Frauen selbst organisieren und auf Grundlage der Philosophie Abdullah Öcalans, des demokratischen Konföderalismus, autonom und friedlich mit ihren Selbstverwaltungs- und Selbstverteidigungsstrukturen in der Shengal-Region leben. Die êzidischen Frauen werden mit ihrer bewaffneten und politischen Organisierung dafür sorgen, dass sie nie wieder ein solches Massaker und einen solchen Genozid in dieser Form erleben. Sie werden die Täter, die Mittäter, die Verantwortlichen, die PDK und Barzanî zur Rechenschaft ziehen. Für den Aufbau von Shengal und der Rückkehr der Êzid*innen in ihre Herkunftsregion rufen wir unsere Bevölkerung und die alle Menschen, die für die Wahrung der Menschenrechte und die Demokratie sind, dazu auf, sich für unsere Interessen einzusetzen und gegen eine solche Politik der PDK nicht zu schweigen.

Die Êziden in Shengal wollen ein friedliches, multiethnisches, frauenbefreites Leben in ihrem Jahrtausenden alten Siedlungsgebiet führen. Wir rufen alle demokratischen Menschen, Institutionen und politischen Entscheidungsträger*innen dazu auf, uns Êziden darin zu unterstützen, unsere Selbstorganisierung in Shengal fortzuführen und gegen die Anfeindungen der AKP und PDK zu verteidigen.

HÄNDE WEG VON SHENGAL – Wir Êzid*innen werden uns weiterhin selbst organisieren.

Her bi jî YBS und YJS!

Jin-Jiyan-Azadî!


Dachverband des Ezidischen Frauenrats e.V.

Eschweg 7, 32584 Löhne E-Mail: ezidischer-frauenrat@web.de Mobil: 0049 15781495962

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