Appell aus dem kurdischen Flüchtlingslager Maxmur

Maxmur

Maxmmur | Foto: LCM

Peter Schaber & Karl Plumba, 12.03.2017

Wir, zwei Journalisten aus Deutschland, befinden uns zusammen mit zwei weiteren deutschen Staatsbürgern im kurdischen Flüchtlingslager Maxmur (Machmur) im Nordirak. Derzeit ziehen dem Präsidenten der kurdischen Autonomieregion, Mesud Barzani, und seiner Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) nahestehende Spezialeinheiten an drei Seiten des Camps Soldaten und schwere Waffen zusammen. Viele Bewohner*innen des Camps befürchten einen militärischen Angriff.

Den politischen Hintergrund der Drohgebärde bildet ein Treffen zwischen Mesud Barzani und seinem türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdogan in Ankara Ende Februar. Nach dieser Zusammenkunft begann die KDP zunächst in Schengal die Selbstverteidigungskräfte der Jesid*innen zu attackieren. Nun steht dem Flüchtlingslager in Maxmur möglicherweise Ähnliches bevor. Barzani will – offenkundig im Auftrag der Türkei – den Nordirak von Sympathisant*innen der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) säubern. Dieses Vorhaben könnte einen innerkurdischen Bürgerkrieg auslösen und wurde bereits von den beiden anderen großen Parteien im Parlament der kurdischen Autonomieregion – PUK und Gorran – scharf verurteilt.

Der Angriff auf Maxmur begann damit, dass während einer Pressekonferenz der KDP vor elf Tagen das Gerücht gestreut wurde, es handle sich bei dem Camp um ein Ausbildungslager der PKK. Wir können bezeugen, dass das nicht der Fall ist. Wir haben die Schulen, Frauenakademien, Jugendhäuser sowie die Stadtverwaltung Maxmurs besucht. Wir haben ausschließlich ziviles Leben beobachtet, einzig kurdische Asayish, die Polizeifunktionen übernehmen, befinden sich in der Stadt.

Allein auf den Hügeln rund um die Stadt sind Guerilla-Kräfte stationiert. Das hat seinen Grund darin, dass das Camp 2014 vom Islamischen Staat (IS) angegriffen wurde. Die Peschmerga ließen damals die Zivilbevölkerung schutzlos zurück, ein Massaker konnte nur durch Guerilla-Kräfte der HPG und YJA-Star verhindert werden. „Die Bevölkerung vertraut seitdem der KDP nicht mehr. Die Menschen, die hier leben, wollen, dass die Guerilla bleibt, denn sie allein bietet Schutz vor dem nur wenige Kilometer entfernten Islamischen Staat“, erklärte Polat Bozan vom Komitee für Auswärtige Angelegenheiten des Camps.

Dass die Bewohner*innen die Gewährleistung ihrer Sicherheit Truppen Mesud Barzanis überlassen sollen, ist zudem aus einem weiteren Grund eine völlig absurde Forderung. Barzani gilt als engster Kooperationspartner der Türkei in der Region. Die Menschen, die in Maxmur leben, sind Gegner*innen der türkischen Regierungspolitik und kamen in den 1990er-Jahren auf der Flucht vor dem türkischen Staatsterror hier her. Barzani das Camp zu übergeben, hieße den Bock zum Gärtner zu machen.

Die Truppen, die nun das Camp bedrohen, gehören zu jenen Kräften, die von der Bundesrepublik ausgerüstet und trainiert werden. Wir fordern die Bundesregierung auf, jede derartige Unterstützung einzustellen und die KDP zur Raison zu rufen. Schon in Schengal wurden Flüchtlinge mit deutschen Waffen angegriffen, dieser Vorfall darf sich nicht wiederholen.

Peter Schaber, Karl Plumba (lower class magazine, junge Welt), 12. März 2017

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