Bakur/Nordkurdistan – Nachdem die Co-BürgermeisterInnen der Partei der Demokratischen Regionen (DBP) von Payîzawa (Gürpınar), Yıldız Çetin und Zeki Yıldız wie viele ihrer Amtskollegen ihres Amtes enthoben waren, eine Folge des in der Türkei verhängten Ausnahmezustandes (OHAL), wurde Osman Doğramacı als Zwangsverwalter von Payîzawa eingesetzt. Eine seiner ersten Amtshandlungen richtete sich gegen die Frauenprojekte. Sie wurden geschlossen. Unter der von der Schließung betroffenen Einrichtungen ist auch die Frauen-Kooperative XAWESOR, die zu Zeiten, als das Rathaus von einem gewählten BürgermeisterInnen der DBP besetzt war, gegründet worden ist. XAWESOR wurde nun geschlossen und zur Habe genommen. Das Inventar und die Maschinen der Frauenkooperative XAWESOR hat er mittlerweile der KADEM und dem Sosyal Dayanışma Vakfı (Stiftung für Soziale Unterstützung) zur Verfügung gestellt. Interessant in dem Zusammenhang ist, im Vorstand der KADEM sitzt niemand geringeres als die Tochter des türkischen Präsidenten Sümeyye Erdoğan. Handan Karakoyun, Mitglied des Kreisrates der DBP zeigte sich entsetzt über dieses Vorgehen und kündigte an, alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen zu wollen, um dem Einhalt zu gebieten.
Bekanntermaßen haben es Frauen in der Türkei, wenn sie nicht gerade die Tochter des Präsidenten sind, sehr schwer eine Beschäftigung zu finden. Die Frauenkooperative XAWESOR wurde gegründet, um das Problem ein Stück weit zu lösen. Das Rathaus, als es noch unter Federführung der gewählten BürgermeisterInnen stand, unterstützte das Vorhaben und stellte der Frauenkooperative dafür Räumlichkeiten zu Verfügung. Die Frauen selbst sorgten unter großen Mühen, wie Handan Karakoyun berichtet, für die Ausstattung mit Inventar und Maschinen etc. In der Kooperative webten die Frauen Teppiche, produzierten Waschpulver, stellten Yufka (eine Art sehr dünner Brotfladen) und (Vollkorn-)Nudeln her. Sie legten Gemüse ein und arbeiteten mit Textilien. „Vor einem Monat habe wir den Antrag auf Aushändigung der Maschinen und des Inventars gestellt“, erklärt Handan Karakoyun, allerdings habe man jetzt in einem Gespräch mit dem Zwangsverwalter erfahren, dass er „die Gerätschaften der KADEM und der Sosyal Dayanışma Vakfı (Stiftung für Soziale Unterstützung) zur Verfügung stellen möchte – zumindest während des Fastenmonats Ramadan.“ Handan Karakoyun ist entsetzt ob des Skandals, denn die Gerätschaften gehören den Frauen der Kooperative und nicht dem Rathaus. Die Frauen selbst hatten die Maschinen gekauft, Eigentum des Rathauses waren lediglich die Räumlichkeiten, in der die Kooperative untergebracht war. Die Frauen haben sich mittlerweile an Rechtsanwälte gewandt.
Allerdings ist die Frauenkooperative XAWESOR nicht das erste Opfer des Zwangsverwalters Osman Doğramacı. Dieser hat auch eine Anzahl anderer Frauenprojekte geschlossen, darunter eine Bücherei, eine Bäckerei, ein Gesundheitszentrum, einen Kindergarten und ein Haus der Kultur. Auch ein Frauen-Lebenszentrum wurde von ihm geschossen. Auch dieses wurde anschließend der KADEM und somit der Tochter Erdoğans überantwortet. Während die Tochter Erdoğans mit fremdem Gerät arbeiten lässt, sind jene Co-BürgermeisterInnen, die die Frauenprojekte unterstützten, wegen ihres Engagements für die Bevölkerung im Gefängnis.
Gazete Şûjin, 26.05.2017, ISKU