Bakur/Nordkurdistan – Die Kinder von Sûr sind erneut Opfer der faschistischen Politik in der Türkei. Am 28. November 2015 war über Sûr, dem Altstadtviertel von Amed (Diyarbakır), die „Ausgangssperre“ verhängt worden. Anschließend führten Sonderkommandos von Polizei und Militär eine Operation durch. Doch das Wort Operation beschreibt nicht im mindesten, was dann folgte. Es war ein Krieg gegen die Bevölkerung, dem unzählige Menschen zum Opfer fielen. Die Bevölkerung musste Monate lang unter schlimmsten Bedingungen ausharren. Sie hatten kein Wasser, keine Lebensmittel, keine medizinische Versorgung, wurden stattdessen von Scharfschützen und aus Hubschraubern beschossen und bombardiert. Bis zuletzt waren ganze Familien im umlagerten Sûr eingeschlossen. Auf Druck der Bevölkerung von Amed und großem Einsatz der Demokratischen Partei der Völker (HDP) und zivilgesellschaftlichen Organisationen wurde am 3. März 2016 für einige Stunden ein sogenannter Korridor geöffnet, einige Zivilist*innen konnten geborgen werden. Unter den auf diese Art aus Sûr geborgenen Menschen waren auch 11 Kinder. Einige dieser Kinder, die nach 104 Tagen Belagerung und Krieg geborgen werden konnten, sind seit dem Tage in Haft. Es liegen ärztliche Atteste vor die belegen, dass sie während der Vernehmung gefoltert worden sind.
Jetzt wurde im Verfahren gegen sie als Beweismittel Staub auf ihrer Kleidung herangezogen. Staub der nach Monate anhaltendem Beschuss und Bombardement des Stadtteils durch türkisches Militär ganz normal zu erwarten ist, wie ihre Anwälte erklärten, schließlich wurden ganze Straßenzüge im Verlauf des Krieges des türkischen Staates zu Staub und Asche. Auch Granatsplitter im Körper eines der Kinder, das verletzt wurde, wurden so zu einem Beweis der Anklage erklärt. Das Einbestellen eines Gutachters zur Klärung wurde vom Gericht abgelehnt. Stattdessen wurden die Kinder zu unterschiedlichen Haftstrafen von zweieinhalb bis fünfeinhalb Jahren verurteilt. Insgesamt wurden 36 Jahre 8 Monate und 20 Tage Haftstrafe an die Kinder von Sûr verteilt. Eine Strafminderung wurde den Kindern nicht zugestanden, dass Gericht sah „eine negative Haltung“ der Kinder vor Gericht als erwiesen an. Die Kinder haben ihre Verteidigung in kurdischer Sprache gehalten. Sie hatten erklärt, dass sie unschuldig seien und aufgrund der Belagerung in Sûr dort eingeschlossen waren.
ANF. 19.06.2017, ISKU