Ein Leben im Kampf: Mam Celal

Mam CelalCelal Talabani, Generalsekretär der Patriotischen Union Kurdistan YNK, ehemaliger Staatspräsident des Irak und einer der wichtigsten politischen Akteure der Kurden der Neuzeit ist am 3. Oktober im Alter von 84 Jahren in einer Berliner Klinik  verstorben. Celal Talabani, der von den Kurden nur Mam Celal (Onkel Celal) genannt wurde, war von frühester Jugend an in den vordersten Reihen der kurdischen Politik aktiv.

1933 wurde er in Koyê geboren. In den 1950ern wurde er Gründer der Studentenvereinigung Kurdistans und dessen führende Persönlichkeit. Talabani machte sich schnell einen Namen in der Jugendorganisation, die als der Demokratischen Partei Kurdistans PDK nahestehend galt, und war schon kurz darauf in der Führungsriege der PDK zu finden.

Celal Talabani, der viele Jahre der Vertreter der PDK in Syrien war, schloss sich dem Volksaufstand gegen Ebdulkerin Kasim im Jahre 1961 an. Später leitete er die kurdische Verhandlungsdelegation mit der 1963 an die Macht gekommenen Regierung von Ebdulselam Arif. 1975 kam es zum Bruch zwischen ihm und der PDK nachdem der Chef der PDK, Mela Mistefa Barzani, die „aş betal“, die zum Stopp des Widerstands führte, ausgerufen hatte.  Er verließ die PDK und gründete mit anderen wie Adil Murad, Newşîrwan Mistefa, Fuad Masum die YNK.

Die YNK, die intellektuell von İbrahim Ehmed unterstützt wurde, fand in Südkurdistan in der Linken, bei Sozialisten, Demokraten, in der Jugend und bei Frauenorganisationen Anklang. Schon nach kurzer Zeit verfügte sie vor allem in der Gegend um Silêmanî über größeren Einfluss und begann mit einem bewaffneten Kampf gegen die Zentralregierung in Bagdad. Während des Krieges, der zwischen Irak und Iran in den Jahren 1980 bis 1988 tobte, begann Saddam Hussein im Krieg gegen die Kurden mit dem Anfal genannten Vernichtungsfeldzug. Im Verlauf der Operation Anfal setzte Saddam Hussein im März 1988 auch in Helebce chemische Waffen ein. Bei dem Angriff verloren mehrere tausend Kurden ihr Leben.

Aber der Angriff geht auch an der YNK nicht spurlos vorbei. Schwer angeschlagen ist sie gezwungen, sich in den Iran  zurückzuziehen. Während des Golfkrieges zwischen Irak und Kuweit beginnt die YNK, dessen Generalsekretär Talabani ist, unter dem Kommando von Newşîrwan Mistefa 1991 den„Raperîn“, den Aufstand gegen Saddam Hussein. Als die USA mit dem Einsatz der „Schnellen Einsatzkräfte“ das Gebiet oberhalb des 36. Breitengrades zur Flugverbotszone erklärt, gelingt es der YNK und anderen das Gebiet dem Einfluss der Zentralregierung in Bagdad zu entziehen. 1992 wurden Wahlen abgehalten und eine gemeinsame Leitung aus YNK und KDP gebildet. Doch es kommt erneut zu Spannungen zwischen beiden Parteien. 1994 kommt es in Qeladizê zwischen YNK und KDP zum Gefecht welches in einem zwei-jährigen Waffengang zwischen ihnen endet. Bei dem „birakûji“, dem Bruderkrieg, verloren 30.000 Kurden ihr Leben. 1996 kommt es unter Vermittlung der USA und GB zwischen beiden Parteien zur  Übereinkunft von Dublin und zum Ende des Bruderkriegs. 1998 folgt das Washingtoner Abkommen, dass für die YNK Talabani und für die PDK Mesut Barzani unterzeichnet. Mit ihm ist der Bruderkrieg endgültig beendet. Während der Invasion der USA 2003 im Irak ist der Zwist zwischen beiden Parteien scheinbar beigelegt. 2005 wird Talabani Staatspräsident des Irak und ist damit der erste nicht arabische Staatspräsident des Irak. 2012 erleidet Celal Talabani einen Schlaganfall und wird zur Behandlung nach Deutschland ausgeflogen. Nach Besserung und Entlassung aus der Klinik kehrt er zurück nach Silêmanî.

Aber Talabani spielte nicht nur eine wichtige Rolle für die Kurden in Südkurdistan. Er hatte auch immer wieder eine wichtige Rolle inne, wenn es darum ging im Konflikt zwischen dem türkischen Staat und den Kurden dort zu vermitteln. Als 1991 der damalige türkische Staatspräsident Turgut Özal den Kontakt zu den Kurden sucht, ging das über Talabani. Talabani war auch zugegen, als 1993 zum Newroz-Fest der Vorsitzende der PKK, Abdullah Öcalan, der Türkei zum ersten Mal den Waffenstillstand erklärt. Auch hier war es wieder Talabani gewesen, der den Kontakt zwischen den Konfliktparteien ermöglichte. Bei der als Oslo-Gespräche bezeichneten Phase in den Jahren 2005 bis 2006, bei der es zu Gesprächen zwischen der Türkei und der PKK gekommen war, spielte Talabani erneut eine Rolle. 2012 hat Hakan Fidan, Chef des türkischen Geheimdienstes MIT, Talabani während seines Krankenhausaufenthaltes in Berlin besucht und mit ihm über die Aufnahme von Gesprächen gesprochen. 

Talabani war verheiratet mit Hêro Ehmed, der Tochter von İbrahim Ehmed, einem einflussreichen kurdischen  Intellektuellen und Politiker. Er hinterlässt zwei Kinder, Pawel und Qubat.

ANF, 03.10.2017, ISKU

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