Türkei/Nordkurdistan – In den letzten Tagen ist die Zeitung Zaman mittels einer eingesetzten Teuhandverwaltung unter staatliche Kontrolle gestellt worden. Ähnliches ist jetzt auch in der Politik geplant. In der Türkei ist ein neues Gesetz auf dem Weg. Den Entwurf dazu will Mehmet Özhaseki, Vize-Generalvorsitzender der AKP, dort für kommunale Verwaltung verantwortlich, in Kürze dem Ministerpräsidenten vorlegen. Der Entwurf sieht vor, dass wenn ein Bürgermeister seines Amtes enthoben ist, ein anderer an seine Stelle berufen werden kann. Mehmet Özhaseki erklärte, es gäbe zwei Gründe einen Bürgermeister seines Amtes zu entheben. Der erste wäre Amtsmissbrauch, der zweite wäre „Terror“. Bei dem Gesetzesvorstoß ginge es vor allem um letzeren. Der Gesetzentwurf sieht vor, wenn es darum geht den Bürgermeisterposten von Provinzhauptstädten und Kreisstädten neu zu besetzen, dass dies dem Innenministerium obliegt [Praktischer Weise enthebt das Innenministerium so wohl die Bürgermeister ihrer Ämter und kann dann auch gleich den Posten durch Berufung neu besetzen], während in Landkreisen und Gemeinden der Gouverneur jemanden berufen kann.
Die zu berufende Person wird dann nicht aus den Bezirksparlamenten u.ä. berufen, sondern zwischen den leitenden Funktionsträgern der Verwaltung ausgewählt. Der Berufene ist also Beamter, und nicht Gewählter. Auf die Frage, ob das dann wohl eine Art Treuhänder wäre, gab Mehmet Özhaseki zur Antwort: „Es wird wohl nicht so genannt werden, es kommt dem jedoch sehr nah, der Berufene wird über ähnliche Aufgaben und Möglichkeiten verfügen, wie sie auch ein Treuhänder besitzt.“
Der Gesetzentwurf hat einen ernsten Hintergrund. Seit Juni 2015 steigt die Anzahl der Bürgermeister*innen die auf Anweisung des Innenministeriums ihres Amtes enthoben werden. Bei den des Amtes enthobenen handelt es sich ausnahmslos um Bürgermeister*innen in Nordkurdistan/Südosttürkei. Immerhin mittlerweile 17 Bürgermeister*innen und Co-Bürgermeister*innen aus Provinzstädten und Landkreisen wie Batman, Hakkari, Cizre, Silopi, Çatak, İpekyolu, Erciş, Edremit, Özalp, Diyadin, Eruh, İkiköprü, Beşiri, Sur, Silvan, Suruç, Nusaybin und Yüksekova. Weitere, wenn auch noch nicht des Amtes enthoben, sind in Haft wie die Co- Bürgermeister*innen von Hakkari Dilek Hatipoğlu und Nurullah Çiftçi und die Co- Bürgermeister*innen von Lice, Mazıdağı, Derik, Dargeçit, Iğdır, Tuzluca, Hoşhaber und Bulanık. Andere wieder werden wie die von Sur und Silvan Monate lang in Haft gehalten und dann genauso plötzlich wieder entlassen. Die Partei der Demokratischen Regionen DBP hat bei der letzten Regionalwahl 102 Bürgermeistereien behaupten können. Der Gesetzentwurf richtet sich wohl vor allem gegen sie. Tuncer Bakırhan Co-Bürgermeister von Siirt und Co-Vorsitzender der Union der Demokratischen Bürgermeistereien erklärte: „Wenn der Entwurf zum Gesetz wird, dann haben Wählen jeglichen Sinn verloren.“
BestaNûçe, Cumhuriyet, 31.03.2016, ISKU