Civaka Azad – Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit, 08.09.2015
Nachdem die türkischen Sicherheitskräfte nun schon seit Längerem die kurdische Zivilbevölkerung in Nordkurdistan ins Visier nimmt, werden nun im Westen der Türkei kurdische Zivilisten immer öfter zum Ziel von Angriffen faschistischer Mobs. Allein am 08. September kam es in mehreren westtürkischen Großstädten zu Angriffen auf die dort lebende kurdische Zivilbevölkerung. Angestachelt durch die Hetze regierungsnaher Medien griffen faschistische Gruppen in Städten wie Istanbul, Muğla, Ankara, Kırşehir und Elaziz (Elazığ) Büros der Demokratischen Partei der Völker (HDP) an. Die AKP-nahe Tageszeitung Yeni Şafak hatte mit der Überschrift „Mörder“ über einem Bild des HDP Co-Vorsitzenden Selahattin Demirtaş auf ihrer Titelseite die Partei praktisch zum offenen Angriffsziel für faschistische MHP- und AKP-Sympathisanten gemacht. Bei dem Angriff in Kırşehir setzte der Mob vor den Augen der Polizei das HDP-Büro und eine Buchhandlung, dessen Inhaber ein Kurde ist, in Brand.
Neben den Angriffen auf die HDP auf offener Straße nehmen auch die staatlichen Repressionen gegen kurdische Stadtverwaltungen immer mehr zu. So wurde am 08. September die Co-Bürgermeisterin der kurdischen Stadt Nisêbîn (Nusaybin), Sara Kaya, durch das türkische Innenministerium ihres Amtes enthoben und festgenommen. Ebenfalls des Amtes enthoben und festgenommen wurden bereits beide Co-Bürgermeister von Colemêrg (Hakkari) und des Stadtbezirks Sur in Amed (Diyarbakir), sowie jeweils ein Co-Bürgermeister der Städte Farqîn (Silvan), Lîce (Lice) und Gever (Yüksekova).
Ausnahmezustand in Cizîr geht weiter
Nur wenige Informationen sickern aus der von der türkischen Armee abgeriegelten Stadt Cizîr (Cizre) an die Öffentlichkeit. Der HDP Abgeordnete der Provinz Şirnex (Şırnak), Faysal Sarıyıldız, erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur Firat, dass die belagerten Stadtteile von Cizîr ständigem Feuer des türkischen Militärs ausgesetzt werden. Durch die Schüsse komme es immer wieder zu Bränden in Wohnhäusern. Seit mittlerweile fünf Tagen gilt die vom Gouverneur von Şirnex verhängte Ausgangssperre über Cizîr. Aus diesem Grund können die Leichname von fünf Zivilisten, die seit Beginn der Belagerung der Stadt durch die türkischen Sicherheitskräfte ermordet wurden, nicht bestattet werden. Teilweise werden die Leichname deshalb derzeit in Tiefkühltruhen aufbewahrt. Bei den Angriffen des türkischen Staates in der Stadt wurden insgesamt sieben Zivilisten, darunter ein einmonatiges Baby, ermordet.
Weitere Tote bei schweren Auseinandersetzungen
Nur zwei Tage nach einem Sprengstoffanschlag auf die türkische Armee in Geliyê Doski (Dargeçit) war am Morgen des 08. Septembers ein Polizeibus in Reşqelas (Iğdır) Ziel einer Sprengstofffalle der Volksverteidigungskräfte (HPG). Bei dem Angriff kamen mindestens 13 Polizisten ums Leben. Zudem berichtet die HPG von schweren Auseinandersetzungen mit dem türkischen Militär in gleich mehreren Orten der Provinz Colemêrg. Auch hier soll es zu Toten gekommen sein.
In der Provinz Elîh (Batman), wo es ebenfalls immer wieder zu Auseinandersetzungen kommt, wurden acht Regionen durch den Gouverneur für sechs Monate zum militärischen Sperrgebiet erklärt. Die Gebiete dürfen somit für diesen Zeitraum nicht von Zivilisten nicht betreten werden.
Die Berichte über grenzübergreifende Operationen des türkischen Militärs nach Südkurdistan (Nordirak) hinein wurden hingegen von kurdischer Seite bislang nicht bestätigt.
Mitten in den anhaltenden Auseinandersetzungen hat die HPG unterdessen 20 von ihnen festgehaltene Grenzbeamte in die Freiheit entlassen. Die türkischen Grenzbeamten, die am Grenzübergang Üzümlü, das an den Irak grenzt, arbeiten, waren am 10. August von der HPG festgenommen worden. Am Morgen des 08. Septembers wurden diese nun durch die Vermittlung einer Delegation des Menschenrechtsvereins IHD freigelassen.