Bakur/Nordkurdistan – Davut Altınkaynak war erst 13 Jahre alt, als er in Mêrdîn (Mardin) im Landkreis Kerboran (Dargeçit) im Haus seiner Familie verhaftet wurde. Davut Altınkaynak war einer von vielen Verschwundenen in der Türkei. Nach mehr als 20 Jahren wurde er nun endlich gefunden. Im April 2015 veranlasste der Menschenrechtsverein IHD eine Ausgrabung. Dabei konnten die sterblichen Überreste dreier Menschen in einer Höhle nahe des Flusses Tigris geborgen werden. Im Laufe der Untersuchung stellte sich heraus, dass es sich bei den Toten um drei Minderjährige handelt, den 13-jährigen Davut Altınkaynak, den 16-jährigen Nedim Akyön und einen bisher nicht identifizierten weiteren Jugendlichen im Alter von 14–15 Jahren.
Davut lebte mit seiner Famiie in Kerboran. An einem Morgen des Jahres 1995 drangen Soldaten in das Haus der Familie ein. Am Abend kamen sie erneut und verschleppten die Mutter. Den 13-jährigen Davut rissen sie aus dem Schlaf und nahmen ihn ebenfalls mit. 4 oder 5 Tage verblieb die Mutter in der Kaserne, der Sohn an ihrer Seite. Zuletzt sah sie ihn, da war er in der Folter. Sie hatten ihn aufgehängt. Er flehte sie um einen Schluck Wasser an. Es wurde ihr nicht gestattet ihm diesen Wunsch zu erfüllen. Seit jenem Tag ist sie auf der Suche nach ihm …
In den 1990er Jahren war der JITEM in Mêrdîn äußerst aktiv. In jener Zeit wurden dort sehr viele Menschen verschleppt, gefoltert, ermordet. Viele sind bis heute nicht gefunden. Zwischen dem 30. Oktober und dem 3. November 1995 wurden in Kerboran 7 Menschen entführt und ermordet. Süleyman Seyhan (57), Nedim Akyön (16), Mehmet Emin Aslan (19), Seyhan Doğan (14), Davut Altınkaynak (13), Abdurrahman Olcay (20) und Abdurrahman Coşkun (21). Was die Opfer eint, ist ihr Schicksal. Alle wurden auf Order des Jandarma Kommandanten Mehmet Tire verschleppt und schwerst gefoltert. Manch einer unter ihnen wurde als „verhaftet“ registriert, viele auch nicht. So mancher wurde gar von der Staatsanwaltschaft entlassen. Doch auch sie sollten nicht entkommen. Jandarma Kommandant Mehmet Tire, Jandarma Kommando Brigadekommandant Oberst Hurşit İmren und seine Truppe, darunter auch Dorfschützer, verhafteten, folterten und liquidierten. Keiner ihrer Opfer starb „zufällig“. Alle wurden bewusst getötet. Mancher unter ihnen wurde erdrosselt, andere erschossen. Als der Soldat Bilal Batırır im Frühjahr darauf seine Vorgesetzten schriftlich über sein Wissen in Kenntnis setzte, wurde auch er gefoltert und ermordet.
Gestern wurden Davut Altınkaynak und Nedim Akyön beigesetzt. Die Suche seiner Mutter hat ein Ende gefunden. Viele andere Mütter in der Türkei suchen immer noch.
BestaNûçe, 10.05.2016, ISKU