Bakur/Nordkurdistan – Auch am Donnerstag versammelten sich wieder unzählige Menschen vor dem Rathaus von Amed (Diyarbakır), um gegen die Verhaftung der Kobürgermeister Gültan Kışanak und Fırat Anlı zu portestieren. Auch Selahattin Demirtaş, Kovorsitzender der Demokratischen Partei der Völker HDP, war unter ihnen. Vor dem Rathaus vom Amed gab er eine Presseerklärung abgeben:
„Im Namen der Demokratischen Partei der Völker danke ich euch allen, dass ihr von der ersten Minute an – als die Aushebelung des Rechts begann – bis jetzt an der Seite der Partei gestanden habt. In keiner der Städte Kurdistans funktioniert das Internet mehr, und dass vor allem in den letzten beiden Tagen. Die oppositionellen Fernsehsender sind beschlagnahmt, ausgeraubt. Die Freunde von der Presse machen Aufnahmen, aber weil ihre Zentralen Angst vor dem ‚Palast‘ haben, wird nichts davon was hier geschieht veröffentlicht.
Aber wir werden von Haustür zu Haustür gehen. Wenn nötig, werden wir die ganze Nacht hindurch bis zum morgen damit fortfahren. Wir werden unseren Menschen die Hände reichen. Denn die wirkungsvollste Kommunikation ist jene von Angesicht zu Angesicht. Wir werden einander ansehen. Wir werden doch nicht Schweigen nur, weil die Medien verboten wurden. Wir werden von Haus zu Haus gehen und die Tyrannei stoppen.
Wir werden das, was hier passiert, nicht als Normal betrachten. Niemand hat die Freiheit ein Verbrechen am Recht zu begehen. Sei er Präsident oder sei ein normaler Bürger. Das macht keinen Unterschied. Keiner von uns hat das Recht ein Verbrechen zu begehen, aber es sollte schon ein faires Verfahren garantiert sein, dann werden wir auch den (Gerichts)verfahren mit gutem Gewissen entgegen blicken. Wir haben nichts gegen ein Gerichtsverfahren einzuwenden, aber die Judikative existiert nicht. Warum richtet die Rechtskommission der AKP über mich? Müssen wir denn wirklich einem solchen Staatsanwalt gegenüber eine Aussage machen? Wogegen wir sind, das sind Staatsanwälte, die auf Direktive des Palastes handeln.
Sollten die Kobürgermeister wirklich Diebstahl begangen haben, werden wir die ersten sein, die sie abstrafen. Auch sage ich ganz offen; unsere Bürgermeister, allen voran Frau Kışanak und Herr Anlı haben zu allen Zeiten alle Ressourcen für den Frieden mobilisiert. Niemand kann unseren Rathäusern nachsagen sie hätten Waffen, Terror und Gewalt unterstützt.
Wenn ihr jene sucht, die den Terror unterstützen, dann seht nach Ankara, seht nach Istanbul. Was die Unterstützung des Terrors anbelangt seht Topbaş, seht Gökçek. Seht jene, die die Hälfte Ankaras, die Hälfte Istanbuls an die (Fetullah) Gülen Gemeinde veräußert haben. Wie lange schon ist der Revisor hier (in den DBP-Rathäusern) und nicht auch nur eine Minute lang weg gewichen? Wir werden sehen, wenn auch nur ein Penny fehlt, dann belegt es. Doch alles ist Lüge. Dort ist nichts.
Bisher haben wir immer vorgezogene Wahlen propagiert. Ab jetzt ist damit Schluss. Jetzt wird Widerstand geleistet bis die Rathäuser wieder ausgehändigt werden …
Alles was ihr geraubt habt, was ihr gestohlen habt werdet ihr zurück geben. Wir fordern für unsere Kobürgermeister die Rückgabe ihrer Ämter. Den Willen des Volkes, rückt ihn heraus. Etwas anderes werden wir niemals akzeptieren. Wir werden uns nicht beugen. Wir werden weiterhin Kerzengrade aufrecht stehen. Jeder wird auf die Straße gehen und nicht einen Millimeter zurück weichen bis wir unser Ziel erreicht haben. Jene, die Gewalt anwenden, sollen zur Vernunft kommen, das Volk ist kein Opferlamm. Wir bringen die Freiheit, und dass nicht indem wir uns ergeben, sondern wir werden erfolgreich sein in dem wir Widerstand leisten werden.“
Noch am gleichen Tag hat die Staatanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen „Aufstachelung der Bevölkerung zum Rechtsbruch, Verunglimpfung des Staates der Türkischen Republik und seiner Rechtsorgane, Beleidigung der Präsidenten, Verherrlichung von Straftaten und Straftätern“ gegen Demirtaş eingeleitet. Dieser kommentierte das Ermittlungsverfahren gegen sich via Twitter dann auch wie folgt: „Na wie auch immer, einen Moment lang hatte ich schon Angst ob mir etwas zugestoßen sei. Dass bis zu dieser Stunde noch kein Ermittlungsverfahren gegen mich eingeleitet wurde, erfüllte mich mit größter Sorge.“
ANF, 27.10.2016, ISKU