Mit den jüngsten Dekreten des Regimes in Ankara wurden 15 Presseorgane, Magazine und Nachrichtenagenturen verboten. Eine unter ihnen ist die Dicle Haber Ajansı (DİHA).
Am 4. April 2002 startete DIHA. Zuletzt verfügte sie über Regionalbüros in İstanbul, Ankara, İzmir, Adana, Amed (Diyarbakir), Wan (Van), Şirnex (Şırnak), Riha (Urfa) und Agirî (Ağrı), in denen täglich hunderte von Mitarbeitern arbeiteten. Doch wer für DIHA arbeitet dem musste auch klar sein, dass das nicht nur ein Höchstmaß an journalistischer Tätigkeit erfordert, sondern vor allem auch viel Zivilcourage. So gehörte für die Mitarbeiter einer oppositionelle Nachrichtenagentur auch zum Arbeitsleben von der Polizei geschlagen und verfolgt zu werden. Ihnen wurden ihre Kameras beschlagnahmt, sie wurden verhaftet und ins Gefängnis geworfen. Zuletzt waren allein neun Journalisten der DIHA im Gefängnis. Bereits im 2. Jahr nach Aufnahme ihrer Tätigkeit im Jahre 2004 wurde im Umfeld einer NATO-Tagung die Zentrale und die Büros von DIHA das erste Mal von der Polizei gestürmt und Mitarbeiter verhaftet. Am 20. Dezember 2011 wurde die Nachrichtenagentur erneut in großem Maßstab angegriffen, als AKP, damals noch verbündet mit der Gülen Gemeinde, die Nachrichtenagentur als „KCK-Presse“ brandmarkte. 48 kurdische Journalisten wurden verhaftet. 35 unter ihnen in Untersuchungshaft genommen. Viele verbrachten anschließend Jahre ihres Lebens im Gefängnis. Mit dem erneuten Kriegsbeginn des türkischen Regimes gegen die Kurden am 24. Juli 2015 wuchs auch der Druck auf die Presse, vor allem auch auf die oppositionelle und kurdische, und DIHA war sowohl oppositionell als auch kurdisch und nie eine bequeme Presse für die Machthaber in Ankara. So gehören zu ihren Erfolgen die Veröffentlichung des Massakers von Roboskî, der Pozantı Skandal mit seinem Missbrauch von inhaftierten Kindern, die Bombardierung des Verlags Umut, die Ermordung von Ceylan Önkol und Uğur Kaymaz durch türkische Militäreinheiten, zuletzt die Dechiffrierung der Provo-Aktion am Tendürek zur Legitimation des Abbruchs der Friedensverhandlungen mit den Kurden und zur Wiederaufnahme einer über alle Grenzen hinausgehenden Repression, ja eines Vernichtungsfeldzuges gegen die Kurden. Aber auch in solch einer Situation war DIHA nicht Stumm. Sie berichtete von der Ermordung von Hacı Lokman Birlik, dessen Leichnam an ein Militärfahrzeug gebunden durch die Straßen der Stadt geschleift wurde, ein Synonym der hässlichen Fratze eines unmenschlichen Krieges des türkischen Regimes gegen seine kurdischen Bürger. DIHA berichtet aus den brennenden Kellern in Cizîr (Cizre). Von der Nachrichtenagentur DIHA gingen die Hilferufe der in den Kellern Eingeschlossenen als erste in die Welt hinaus und wird als letztes verstummten. „DIHA war die Stimme Nord-Kurdistans“, wie ihr Nachrichtenredakteur Mehmet Ali Ertaş bemerkte. Wird sie von nun ab Schweigen, nur weil ein Dekret aus Ankara dies verordnet? Unwahrscheinlich. Es hat in der Türkei immer Mut erfordert Journalist zu sein. Daran hat sich nichts geändert. Es wird immer Menschen geben, die auch unter einer Diktatur noch Mut und Zivilcourage beweisen.
ANF, 30.10.2016, ISKU