Nêçîrvan Barzani (KDP), Ministerpräsident der Autonomen Region Kurdistan, nahm am 2. Juni am St. Petersburg International Economic Forum (SPIEF) in St. Petersburg teil. Dort unterzeichnete er auch einen Vertrag mit dem russischen Mineralölkonzern Rosneft. Der Vertrag gibt Rosneft das Recht zwanzig Jahre lang an fünf Orten Südkurdistans Erdöl zu fördern, es zu verarbeiten und auf dem internationalen Markt zu verkaufen. Mit dem Vertrag soll die Erdöl-Förderung in Südkurdistan von täglich 700.000 Barrel auf eine Million Barrel hochgeschraubt werden. Die Rosneft wird das Erdöl über die Pipeline Kerkük-Ceyhan nach İskenderun und von dort nach Deutschland verbringen, wo es in den Raffinerien verarbeitet wird. Die Rosneft äußerte sich erfreut über den Vertrag und kündigte an, dass „weitere Verträge folgen“ würden. Da Einzelheiten des Vertrags unbekannt sind ist nicht klar, in wie weit die Barzanis, ihr Klan oder die KDP von dem Vertrag profitieren. Unklar ist auch, ob und wie viel letztlich der Region Kurdistan zugutekommen wird. Şêrko Cewdet, Minister für natürliche Ressourcen im Parlament der Regionalen Region Kurdistan, ist entsetzt und bezeichnete die Vertragsunterzeichung durch Nêçîrvan Barzani als „glatten Verfassungsbruch“. Seit 2007 müssen Verträge über die Förderung von Erdöl und alle natürlichen Ressourcen vom Kurdischen Regionalparlament bestätigt werden. Im Falle des Vertrags mit Rosneft wurde „weder das Parlament, noch die Kommission, der er vorsteht, überhaupt informiert“, erklärt Şêrko Cewdet. So hat Nêçîrvan Barzani in den Augen des Ministers mit der Unterzeichnung denn auch einen „offenen Verfassungsbruch begangen, einen Verfassungsbruch der Autonomen Region und damit verbunden des Iraks.“
Die vier Parteien Gorran-Bewegung, Komeleya Îslami (Islamische Gemeinde), Tevgera Îslami (Islamische Bewegung) und Yekgirtû (Islamische Einheit) veröffentlichten gar eine gemeinsame Erklärung, in der sie Erdölverträge wie diesen als „Gefahr für die Zukunft der Region Kurdistan“ brandmarkten, vor allem weil es sich bei einem der fünf Orte um Kerkük handeln soll, ein Gebiet, dass die Kurden zwar für sich beanspruchen, dass jedoch der Zentralregierung in Bagdad unterstellt ist. Die vier Parteien erklärten, es wäre “ein Irrtum zu glauben, Probleme wie die vorherrschende Krise, die hohe Arbeitslosigkeit oder die verbreitete Armut wären mit Erdölverkäufen beizukommen“. Auch äußerten sie Unglauben gegenüber Verlautbarungen darüber, dass das „Regionale Gebiet Schulden von 27 Milliarden Dollar habe und fragten sich wofür diese denn wohl ausgegeben worden seien“. Zuvor gab es bereits Kritik an Erdöl –Verträgen, die die Barzanis getätigt hatten. Vor allem auch an einem Vertrag mit der Türkei. Versuche deshalb oder wegen anderer Verträge eine Parlamentarische Untersuchungskommission einzurichten scheiterten allerdings bisher immer am Widerstand der Regierung.
ANF, 04.06.2017, ISKU