AYSEL IŞIK und ERSİN ÇAKSU haben Auszüge aus einem Interview, das sie mit der 17-jährigen Dilberîn führten bei BestaNuçe veröffentlich. Dilberîn ist Augenzeugin des grausamen Massakers in den 3 Kellern von Cizîr (türk. Cizre). Sie selbst war jeweils kurzzeitig in den 3 Kellern, um bei der Versorgung der Verletzten Hilfe zu leisten. Im ersten Keller der im Stadtteil Cudi von Cizîr liegt, war sie 3 Tage, im zweiten 5 Tage. Im dritten Keller, der im Stadtteil Sur von Cizîr liegt war sie 3 Tage lang .
Dilberîn berichtet: „Im ersten Keller waren 28 Zivilisten. Obwohl der Staat wusste, dass es Zivilisten sind, wurde der Keller von ihnen ununterbrochen bombardiert. Es kam keinerlei Aufforderung, sie schossen direkt. Was das Leben in dem Keller betraf, es war hart. Es gab Verletzte, aber keine Medikamente. Wir konnten nichts zu essen finden. Es gab Mütter. Die Verletzten forderten nach Wasser, aber wir fanden keins. Die Mütter kümmerten sich um sie.
Um Wasser zu finden verließen wir den Keller, aber sobald wir nach draußen gingen eröffneten Scharfschützen das Feuer auf uns. Wir versuchten die Verletzten aus dem Keller zu bringen, eine Mutter verließ (dazu) mit gehisster weißer Fahne den Keller. Sie haben auch auf sie geschossen.
Mit Hilfe der Abgeordneten ist mit dem Innenminister gesprochen worden. Auch das half nicht. Wir wurden pausenlos bombardiert. In der Zeit, in der ich in dem Keller war, haben dort Kinder und Mütter ihr Leben verloren. 5 Menschen sind zu Tode gekommen. Alle Freunde haben dort, verletzt wie sie waren, im Korridor gewartet. In dem Keller war ich 5 Tage lang. Dann musste ich ihn verlassen. Es blieben nur die Verletzten zurück.
Unter sehr schweren Bedingungen habe ich den zweiten Keller erreicht. Auch dort waren viele Verletzte. Die Abgeordneten haben angerufen und sagten es käme ein Krankenwagen, wir sollten alles vorbereiten. Wir bereiteten uns vor. Als der Krankenwagen kam, schickten wir einen 15 jährigen Freund mit gehisster weißer Fahne vor. Als er durch die Tür nach draußen ging, wurde er von Scharfschützen erschossen. Die Leiche blieb da liegen wo sie war. Wir konnten nicht hin um sie zu holen.
Tage lang wurde auf den Keller geschossen. Wegen des Staubs bekamen wir nur schwer Luft. Es verloren welche, zumeist Verletzte, allein wegen des Staubs ihr Leben. Es waren 30 Verletzte dort. Die Kräfte des Staates riefen uns dazu auf heraus zu kommen. Aber wenn wir es versuchten, schossen sie auf uns. Sie sagen, dass als Krankenwagen kamen, diese von Kämpfern in der Umgebung beschossen worden wären. Das ist eine Lüge. Niemand hat auch nur eine Kugel abgefeuert. Zeitgleich mit ihrem Aufruf schossen sie. Sie sagten: Kommt raus, für eure Sicherheit sind Vorkehrungen getroffen. Aber sobald wir auch nur unseren Kopf hinaus streckten, wurde das Gebäude unter Beschuss genommen.
Im zweiten Keller blieb ich 3 Tage. Die Freunde wollten, dass wir den Keller verlassen. Mit 3 Freunden zusammen habe ich den Keller verlassen. Von dort aus sind wir in das Virtel Sur (von Cizre) gegangen.“
Dilberîn erzählt über den dritten Keller: „ Dort waren so an die hundert Menschen. 5 Leichname waren dort. Es gab 3 Menschen um die es schlecht stand. Einem 15-jährigem Kind ging es sehr schlecht. Wir hatten nichts, um ihm zu helfen. In dem Keller war ich 3 Tage lang. Um Medizin zu finden bin ich mit 2 meiner Freunde woanders hin gegangen. Durch den Angriff (des Staates) auf den Keller konnten wir nicht zu zurück. Wir lagen dort und beobachteten Tage lang den Keller.
Ich habe von dort aus die Angriffe auf den Keller gesehen. Die Soldaten haben zuerst bombardiert. Danach haben sie so etwas wie Gas hinein geworfen. Nachdem etwas Zeit vergangen ist sind sie dann hinein gegangen. Als sie zurückkehrten haben sie keine Leichen mit heraus gebracht. Danach haben sie das Gebäude mit einem Bagger platt gemacht. Später haben sie die Trümmer mit Lastern fort gebracht.
Mit dem Bagger, der der Kreisverwaltung gehört, haben sie das Gebäude zerstört. Wir mussten von gegenüber das alles mit ansehen. Nachdem sie das Gebäude eingerissen hatten, haben sie alles auf Laster geladen und fort gebracht. Sehr viel später haben wir dann gesehen wie sie viele Leichen heraus holten. Wir sahen, wie sie die Leichname einiger Frauen auszogen und fotografierten.“
Zurückblickend sagt sie: „Wir kümmerten uns um die Verletzten. Als es hieß es kämen Krankenwagen, sind wir auf die andere Seite gewechselt. Wir dachten sie holen sie jetzt, bringen sie ins Krankenhaus. Aber es kam anders, wir hörten ihre Schreie. Als sie das Gebäude einrissen sagten sie nicht ein einziges Mal ‚Ergebt euch‘. Die Leichname, die sie heraus holten, waren Leichname von Frauen und Kindern. Sie wussten das alle dort Zivilisten waren.“…
BestaNuçe, 01.03.2016, ISKU