Bakur/Nordkurdistan – Der Kongress der Demokratischen Gesellschaft DTK hat heute im Konferenzsaal des Rathauses von Amed (Diyarbakır) seinen 1. außerordentlichen Kongress abgehalten. Der DTK sah einen außerordentlichen Kongress für notwendig an, um ihre Organisationsstruktur der aktuellen Lage in Kurdistan, in der Türkei und im Nahen Osten entsprechend neu zu formulieren. Am Kongress nahmen neben Hatip Dicle und Selma Irmak, Selahattin Demirtaş, Co-Vorsitzender der HDP, Gülistan Kılıç Koçyiğit, Co-Sprecherin der HDP, auch eine Reihe Abgeordneter und Vertreter von NGO’s teil. Die Eröffnungsrede hielt Selma Irmak Co-Vorsitzende des DTK. In ihrer Rede wies Selma Irmak auf die Deklaration des DTK vom 27. Januar hin. Ziel der Deklaration war es, zu einer Wiederaufnahme von Friedensgesprächen zu kommen. Im Rahmen der Deklaration wurden mehrere Ermittlungsverfahren gegen ihre Protagonisten eröffnet, gegen einige wurden auch Anträge auf Aufhebung der Immunität erhoben. Irmak betonte, dass der DTK auch in Zukunft alles tun werde, damit die Kurden im Rahmen eines demokratischen Grundgesetzes ihre Rechte zugestanden bekommen und erklärte, dass die Kurden sich nicht von ihrer Forderung nach eine Demokratischen Autonomie abwenden werden. Die Kurden fordern einen Status für sich, erklärte sie. Sie wies auch auf die Notwendigkeit hin, dass in der aktuellen Phase weitere Bündnisse geschlossen werden müssen. Namentlich nannte sie Mesut Barzani und forderte ihn auf, seine Haltung gegen über der Bewegung zu revidieren und seiner Rolle als Sohn Mele Mustafa Barzanis gerecht zu werden. Danach ging Selma Irmak auch auf die Beschlagnahmung von Orten wie Sûr ein und sagte: „Tagelang ließen sie die Leichname unserer Menschen auf der Straße liegen, sie fuhren mit Panzern über sie hinweg, jetzt strecken sie ihre Hände nach unseren Städten aus, nehmen alles zur Habe und besetzen das Land. Jetzt spreche ich als Frau. In der aktuellen Phase ist der grundlegendste Kampf in Kurdistan der, der sich unter der Führung der Frauen vollzieht. Wir reden hier nicht nur über die Freiheit eines Bezirks, einer Region, die grundlegende Freiheit die wir anstreben ist die Freiheit der Frau.“
Hatip Dicle ging in seiner Rede kurz auf die Geschichte der Kurden in den letzten hundert Jahren ein. Nach der Teilung der Kurden durch das Abkommen von Sykes-Picot ist es, obwohl viele Probleme bestehen, den Kurden im Süden gelungen einen Status zu erlangen. Auch die Kurden in Rojava arbeiten daran. An dieser Stelle begrüßt Hatip Dicle ausdrücklich die Ausrufung der Föderation in Rojava-Nordsyrien und kritisierte die Regierung Südkurdistans wegen der Schließung des Grenzübergangs Sêmelka am gleichen Tag. Die Regierung in Süd-Kurdistan rief er auf, ihre Haltung zu überdenken und ihren dahingehenden Beschluss zurückzunehmen. In seiner Rede erklärte Hatip Dicle, dads sich für Kurdistan und den Nahen Osten heraus kristallisiert habe, dass eine nationalstaatliche Herangehensweise keine Lösung mit sich bringt werde und nur Quell neuer Probleme mit sich bringe. Dafür würdigte er die Bemühungen Abdullah Öcalans, dass er mit dem Modell der Demokratischen Nation den Weg für eine Lösung konkretisiert habe. Die Übereinkunft von Dolmabahçe, sagt Dicle, sei eine Roadmap. Sie stellte nicht nur eine Lösung der Probleme der Kurden dar. Sie könne eine Lösung für alle durch das nationalstaatliche Konzept an den Rand gedrängten Gesellschaften darstellen. Die AKP und der Staatspräsident habe jedoch den Verhandlungstisch umgestoßen. Der Genozid, der an Armeniern und Süryani verübt wurde, soll heute an den Kurden verübt werden, sagt Dicle und warnt eindringlich vor den Folgen der Beschlagnahme Sûrs, welche für ihn ganz klar Teil des Genozid an den Kurden darstelle. Hatip Dicle beendet seine Rede mit einem Aufruf an die Regierung und alle Verantwortlichen im Staate. „Seit einem Jahr steuert Ihr das Land in eine große Zerstörung. Nehmt Abstand davon. Wir zeigen nur den Weg auf. Das ist alles. Der richtige Weg führt über die Freiheit des wehrten Herrn Öcalans, die Rückkehr an den Verhandlungstisch und ein Schiedsverfahren zur Erreichung eines Waffenstillstands. Laßt uns auf den Weg einschwenken, bevor noch mehr Schaden angerichtet ist. Denn morgen kann es zu spät sein“, erklärte er.
Nach den Reden von Selma Irmak und Hatip Dicle ergriffen Selahattin Demirtaş und Gülistan Kılıç Koçyiğit das Wort. Selahattin Demirtaş warnte in seiner Rede eindringlich vor dem Verständnis der Vereinheitlichung. „Dies führe nur zu Faschismus. Das Verständnis davon, dass alles Eins sein solle vereint uns nicht. Das vorderste Ziel des DTK ist, die demokratische Gesellschaft zu entwickeln. Es gilt ein Paradigma zu entwickeln, dass alle Unterschiede in sich vereint,“ so Demirtaş.
Auf dem Kongress wurden die neuen Co-Vorsitzenden des DTK – Leyla Güven und Hatip Dicle – gewählt.
ANF, 26.03.2016, ISKU