Türkei – Die Kapazität der Gefängnisse in der Türkei ist erschöpft. Waren es in der Ära des Militärputsches vom 12. September 1980 79.000 Menschen die sich im Gefängnis befanden, so befinden sich heute (Stand vom 31. März 2016) insgesamt 187.647.
Damit sind unter dem AKP-Regime doppelt so viele Menschen im Gefängnis als zu den schwärzesten Zeiten des Militärregimes von Kenan Evren. Die Türkei verfügt über insgesamt über 362 Haftanstalten, darunter 5 geschlossene Gefängnisse für Frauen, 3 geschlossene Gefängnisse für Kinder sowie 2 „Erziehungs“anstalten, 290 geschlossene Gefängnisse und 60 weitere, in der sich Häftlinge befinden, die über ein Recht auf Freigang verfügen. In letzteren befinden sich im allgemeinen keine politischen Gefangene, da ihnen in der Türkei Freigang generell vorenthalten wird. Der Bau von 105 Gefängnissen und 34 zusätzlichen Gebäuden, die in den 10 Jahren zwischen 2006 und 2016 gebaut wurden, fallen in die Ära der AKP. Trotzdem reichen deren Kapazitäten nicht. Die Belegkapazität der Gefängnisse und Haftanstalten beläuft sich auf insgesamt 180.256 Plätze, dagegen sind es inzwischen 187.647 Menschen, die sich im Gefängnis befinden.
Das sind 7.391 Menschen mehr als Aufnahmekapazität besteht. Unter welchen Bedingungen die Gefangenen im Gefängnis leben müssen ist im Bericht des zuständigen Ressorts des Justizministeriums nicht festgehalten. Interessant ist auch, inwieweit sich jeweils die politische Situation der Türkei auf die Zahl der Häftlinge ausgewirkt hat. Zur Zeit des Militärputsches im Jahre 1971 gab es insgesamt 60.968 Menschen, die sich in der Türkei in Haft befanden. Nach der Amnestie im Jahre 1973 unter Bülent Ecevit sank die Zahl auf 24.860. Vor dem Putsch von Kenan Evren waren es 52.653 mit dem Putsch stieg die Zahl um 27.133 auf 79.786 Menschen (1981). Als 1984 begonnen wurde die Notstandsgesetze außer Kraft zu setzen, sank auch die Zahl der Inhaftierten wieder. Anfangs auf 73.064 zwei Jahre später sogar auf 52.150 (1986). 1991 sank die Zahl der Inhaftierten erneut mit einer Gesetzesänderung der „Antiterrorgesetze“ durch die Regierung Turgut Özal, so dass die Zahl der Inhaftierten auf 26.851 sank. 1993 lag deren Zahl bei 34.805 als die Regierung Tansu Çiller an die Macht kam. In der Zeit ihrer Regierung verbrannte das türkische Militär die Dörfer ihrer kurdischen Mitbürger und vertrieb sie zu Millionen. Und auch die Zahl der Inhaftierten stieg wieder. 1997, bei Ende ihrer Regierung, waren es bereits 60.606 Menschen die in Haft waren. Doch das ist lange her. Heute (Stand 31.März 2016) sind 187.647 Menschen in Haft und das obwohl es 2004 nach einer Änderung im Strafgesetz nur 57.930 waren. Seit dem steigt die Anzahl der Inhaftierten wieder rasant. Im Dezember 2007 auf 90.837. 2013 auf 145.478 und Ende 2015 auf 178.089. Kein halbes Jahr später gar auf 187.647, darunter sind auch 784 verurteilte Kinder und 5.631 verurteilte Frauen. Wenn man sich die politische Entwicklung der Türkei vor Augen hält, muss man kein Prophet sein, um zu erkennen, dass die Prognose im nächsten halben Jahr wohl kaum anders aussehen wird.
ANF, 08.07.2016, ISKU