In Cizîr (Cizre) verloren während der Ausgangssperre und der Militäroperation mehr als 200 Menschen ihr Leben. Das Militär hat die Operation beendet. Die Ausgangssperre dauert an, die Übergriffe durch türkische Sicherheitskräfte ebenfalls. Die Identifizierungen der Leichname der Opfer des Massakers aus den 3 Kellern von Cizîr sind noch nicht abgeschlossen –, und jetzt zittern die Menschen um das Leben ihrer Angehörigen im belagerten Sûr.
Wie so viele andere hat auch Lütfiye Duymak ihre DNA abgegeben, um die bis zur Unkenntlichkeit verbrannten sterblichen Überreste der Ermordeten aus den Kellern von Cizîr zu identifizieren und so zumindest über das Schicksal ihrer Angehörigen Gewissheit zu erlangen. Sie sucht ihren Mann. Sie weiß wo er war. Er war auch in einem der Keller von Cizîr …
Auch wenn die meisten den Namen ihres Mannes nicht kennen werden, viele haben ihn – als er noch lebte – gesehen. Sein Bild ging durch die Medien, auch hier. Mahmut Duymak war der Vorderste in einer Gruppe von Menschen um den HDP-Abgeordneten Faysal Sarıyıldız, die sich mit gehisster weißer Fahne auf den Weg machten, um die Leichname zu bergen, die am 20. Januar durch türkische Sicherheitskräfte ermordet worden sind. An der Seite der Gruppe ein Kamerateam von IMC TV. Die Bilder gingen übers Internet, gingen auch durch deutsche Medien. Die Gruppe wurde vom türkischen Militär beschossen. Ein Kameramann sowie zwei weitere Personen verloren ihr Leben, 9 wurden verletzt. Da hatte Mahmut Duymak noch Glück. Er wurde nicht verletzt. Er blieb in Cizîr. Es ist seine Stadt. Er lebt hier. Zuletzt ist er unterwegs mit Ahmet Tunç, sie gehen in Richtung Cudi. Als Ahmet Tunç ermordet wird bringt sich Mahmut Duymak in einem Keller in Sicherheit. Das Haus mit der Nummer 23 und liegt im Stadtviertel Cudi.
Mahmut Duymak ist Vater von sechs Kindern. Es ist 51 Jahre alt und lebt in Cizîr im Stadtteil Cudi. Er stammt aus einem Dorf bei Cizîr. Sein Dorf heißt Deştalelan. Als der türkische Staat in den 1990ern die Dörfer der Kurden abbrennt, verlässt er sein Dorf und geht nach Tarsus bei Mersin. Erst 2001 kehrt er mit seiner Familie zurück nach Cizîr. Als die die Ausgangssperre in Cizîr verhängt wird und das schwere Bombardement auf Cudi beginnt, zieht die Familie in das Viertel Nur. Mahmut Duymak ist Tag und Nacht unterwegs. Unterwegs um Verletze zu bergen und Menschenleben zur retten.
Lütfiye Duymak klagt an. „Sie haben meinen Mann ermordet. Heute drückten sie mir fünf Kilo Knochen in die Hand und sagten: ‚Nimm sie, es ist dein Mann‘. Sie haben meinen Mann grausam ermordet. Sie haben ihn verbrannt. Nichts ist von ihm übrig geblieben …“
Und heute wurde auch öffentlich, dass der Generalstaatsanwalt von Ankara TÜRK-SAT angewiesen haben soll, IMC TV die Möglichkeit des Sendens zu entziehen!
ANF, 26.02.2016, ISKU