Türkei – Der umstrittene Gesetzesentwurf der AKP zur Aufhebung der Immunität von Abgeordneten wird am Donnerstag dem 28. April in der Verfassungskommission des türkischen Parlaments behandelt. Es steht zu erwarten, dass anschließend CHP und HDP Änderungsanträge stellen werden. Ob und wie viel Zeit dann noch verstreicht bis über das Gesetz entschieden wird, ist unklar. Meral Danış Beştaş, Abgeordente der HDP und Mitglied der Verfassungskommission des türkischen Parlaments, erklärte: „Der Gesetzentwurf (der AKP) ist unhaltbar. Es geht bei dem Gesetzentwurf nicht so sehr darum die Immunität (von Abgeordneten) aufheben zu können, als vielmehr darum, das dieser einen Schritt in Richtung Präsidialsystem eröffnen soll.“ Das Präsidialsystem wird von Staatspräsident Erdoğan schon des längeren favorisiert und ist seit den Wahlen vom 7. Juli de facto von ihm installiert worden. Ihm ist jetzt daran gelegen, dieses System verfassungsmäßig festzuschreiben. Meral Danış Beştaş warnt davor, sollte der Gesetzentwurf Erfolg haben, könnten in Zukunft „Abgeordnete per Anweisung z. B. verhaftet oder ihres Amtes enthoben werden“. Bedenklich ist auch, dass „im Falle des geplanten Gesetzes zur Aufhebung der Immunität das Verfassungsgericht kein Vetorecht zuerkannt wird. Der Gesetzentwurf betrifft nicht nur die HDP, er betrifft alle in der Türkei“, erklärt sie, „Ich habe nicht einmal etwas gegen die Aufhebung der Immunität. Die HDP votiert dafür, das Verfahren gegen Abgeordnete – da die Unabhängigkeit der Justiz in der Türkei umstritten ist – generell vorm Kassationsgerichthof erfolgen sollen. Bei Verurteilung eines Abgeordneten solle die Strafe vertagt und erst vollzogen werden, wenn regulär das Mandat des Abgeordneten endet. D.h. Verfahren und Urteil fallen noch in die Zeit, in der die betreffende Person Abgeordnete ist, der Vollzug einer Strafe hingegen kommt erst danach.“ Meral Danış Beştaş sieht in dem Gesetzentwurf der AKP den Versuch, das Parlament seiner Rolle zu entheben und seinen Einfluss zu neutralisieren.
Sollte der Entwurf der AKP akzeptiert werden, werden dem Gesetzesanhang zu Folge alle dem Parlament vorliegenden Anträge der Staatsanwaltschaft auf Aufhebung der Immunität – immerhin 600 – einmalig stattgegeben. Innerhalb von 15 Tagen würden die anhängenden Verfahren an die Gerichte weitergeleitet, ohne dass eine weitere Zustimmung zu den einzelnen Anträgen von Seiten des Parlaments notwendig wäre.
Dem Parlament liegen aktuell 600 Anträge der Staatsanwaltschaft um Aufhebung der Immunität vor. Von diesen 600 Anträgen richten sich allein 354 gegen 49 Abgeordnete der HDP, weitere 179 Anträge richten sich gegen 51 Abgeordnete der CHP, auch gegen 27 Abgeordnete der AKP liegen 46 entsprechende Anträge vor. 17 Anträge liegen gegen 7 Abgeordnete der MHP vor. Und für die Aufhebung der Immunität liegen gegen die parteilose Abgeordnete Aylin Nazliaka 5 entsprechende Anträge vor.
ANF, 27.04.2016, ISKU