Rojava/Nordsyrien – Die türkische Armee hat ein Massaker in einem Dorf nahe Cerablus verübt. Einer Meldung der Presseagentur AFP nach soll die türkische Armee im Dorf Bir El-Kûsa mindestens 20 Zivilisten getötet haben, die syrischen Menschenrechtsorganisation, die Suriye İnsan Hakları Gözlemevi, spricht von mindestens 70 Verletzten und Toten. Seit dem 27.08.2016 hatten Einheiten der türkischen Armee und von ihnen unterstützte Milizen kurdische Dörfer und Stellungen des Militärrates der Stadt Cerablus angegriffen. Auch das Dorf Bir El-Kûsa war eines unter diesen. Es wurde mit Panzern und aus der Luft angegriffen. Bir El-Kusa liegt 13 Kilometer südlich von Cerablus und 6 Kilometer nördlich des Flusses Savur.
Auch am 28.8. erfolgten wieder Angriffe der türkischen Armee auf kurdische Dörfer bei Cerablus und Stellungen der YPG/YPJ. Betroffen waren neben den Dörfern bei Cerablus unter anderem auch Stellungen der YPG/YPJ im Dorf Museka im zu Afrîn gehörenden Landkreis Raco.
Wie jetzt bekannt wurde, werden Gruppen, die die Türkei als „syrische Oppositionelle“ bezeichnet, von türkischen Offizieren befehligt. Ein Dokument das jetzt aufgetaucht ist belegt, dass die Miliz, die als 2. Sahil Türkmen Tümeni bezeichnet wird, zumindest zeitweilig von einem Offizier der türkischen Armee befehligt. Im Sprachgebrauch der Türkei fällt die Gruppe allerdings nicht unter den Begriff türkische Armee sondern FSA (Freie Syrische Armee). Das Dokument belegt, dass die türkische Armee im Frühjahr 2016, nachdem ihr Kommandant Riyad Karabacak Wochen zuvor in Latkiye gefallen war, der Miliz 2. Sahil Türkmen Tümeni einen Offizier zur Verfügung gestellt hat. Die Miliz befand sich zu der Zeit in Türmen Dağı. Dort gab es heftige Gefechte. Bei dem türkischen Offizier soll es sich um Tarık Solak gehandelt haben. Das Dokument belegt somit zum ersten Mal eindeutig, dass neben jeglicher materiellen und logistischen Unterstützung der Türkei für diverse Milizen auch personelle Unterstützung geleistet wurde.
Nach dem Abschuss eines russischen Kampfflugzeugs im Sommer 2015 durch die türkische Armee wurden die Kämpfe am Türkmen Dağı im Frühjahr 2016 beendet und die Milizen des 1. und 2. Sahil Türkmen Tümeni zum Großteil in die Türkei zurückgezogen. Beide „Milizgruppen“ wurden jetzt wieder aktiviert und als Teil der sogenannten „syrische Opposition“ bei der Besetzung der Stadt Cerablus ins Feld geführt.
Auch bei den „Milizen“, die jetzt in Cerablus im Einsatz sind, sollen, wenn auch nicht mit ganz so hochgestelltem Range, Angehörige der türkischen Armee den Befehl über Gruppen übernommen haben. Bei einem von ihnen soll es sich um Osamn Salih handeln.
Zuvor gab es schon Gerüchte die besagten, dass Kommandanten der türkischen Armee in Syrien im Einsatz sind. So in Halep, Idlip und in der Region Şehba bei Halep. Bei Gefechten im Jahre 2013, als der IS Dörfer der Kurden in der Region Şehba angriff, und bei den Gefechten im Dorf Sed Şehaba zwei MIT-Agenten getötet wurden, wurden schon von Einheiten der Cephet El Ekrat Vorwürfe in dieser Richtung laut. Mit dem Dokument ist jetzt erstmalig belegt, was schon lange Zeit gemunkelt wurde. Die türkische Armee ist direkt in den Krieg in Syrien involviert und das nicht erst seit Cerablus.
ANF, 28.08.2016, ISKU