Heute vor 12 Jahren verloren unsere Freundinnen Uta Schneiderbanger (Nûdem) und Ekin Ceren Doğruak (Amara) ihr Leben bei einen Autounfall in der Nähe der südkurdischen Kleinstadt Qeladize. Auf dem Rückweg von der III. Generalversammlung des Volkskongresses Kurdistans (Kongra Gel) nach Europa verlor der Fahrer in dem steilen Berggelände die Kontrolle über das Auto.
Der Tod von Uta und Amra war für viele Menschen, auch viele die sie nicht kannten, ein schwerer, unbegreiflicher Verlust.
Uta und Ekin beteiligten sich als Internationalistinnen seit vielen Jahren aktiv an dem Freiheitskampf des kurdischen Volkes und dem Aufbau einer internationalistischen Frauenbewegung. Von einem internationalistischen Standpunkt aus haben sie mit ihrer Überzeugung, ihren Arbeiten und Anstrengungen insbesondere eine wichtige Rolle in der Organisierung der kurdischen Frauenbewegung gespielt.
Ekin, Amara wurde im Jahr 1981 als Kind einer türkischen Familie in Ankara geboren. Im Anschluss an ihre Schulzeit studierte sie dort Soziologie. Während ihrer Studienzeit an der Universität in Ankara lernte sie die kurdische Befreiungsbewegung kennen und beteiligte sich an den Kampagnen der kurdischen StudentInnenbewegung. Sie konnte und wollte zu dem Unrecht und der Verleugnungspolitik des türkischen Staates nicht schweigen. Nachdem sie aufgrund ihres politischen Engagements verhaftet worden war, ging sie nach ihrer Freilassung aus dem Gefängnis nach Europa. Hier spielte sie bis zum Frühjahr 2005 eine aktive Rolle in der Arbeit der kurdischen Frauenbewegung. Sie trug die Freiheitsideologie dieses Kampfes in ihrem Herzen und ihrem Bewusstsein. Insbesondere war es ihr wichtig, hierfür auch andere junge Frauen zu gewinnen. Mit ihrer warmen Ausstrahlung und Lebensfreude konnte Amara schnell Freundschaften aufbauen. Freundschaft und Prinzipien hatten in ihrem Leben einen hohen Stellenwert. Beharrlich hinterfragte sie Widersprüche und zeigte ihre Ungeduld gegenüber Unzulänglichkeiten. Das systemkonforme Leben in Europa fand sie unerträglich. Demgegenüber wartete sie mit großer Ungeduld darauf, wie sie es ausdrückte, – endlich von ihrem Recht Gebrauch zu machen –, die Natur und den Kampf in den Bergen Kurdistans kennenzulernen.
Der Weg von Uta – Nûdem hingegen führte von ihrem Engagement in der SchülerInnen- und Jugendbewegung in den 70er Jahren in Mülheim hin zum Anti-AKW-Widerstand, der Häuserkampf- und der FrauenLesbenbewegung in Berlin. Über zwei Jahrzehnte hinweg wirkte sie mit an linken, feministischen, anti-imperialistischen und internationalistischen Organisierungsansätzen in Berlin, überregional und international.
Sie versuchte immer wieder, Erfahrungen aus Kämpfen weiterzugeben, neue Ansätze zu entwickeln, feministische und internationalistische Standpunkte in die unterschiedlichen Bewegungen hineinzutragen. Ihr Interesse an Politik, Menschen, Freundschaften, der Natur und Umwelt, Pflanzen, alternativen Heilmethoden und Gesundheit waren für Uta untrennbar miteinander verbunden. Auf der Suche nach neuen Organisierungsansätzen, aus denen alternative, kollektive Lebensformen hervorgehen könnten, bemühte sie sich insbesondere darum, Erfahrungen aus verschiedenen Befreiungsbewegungen, unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Gruppen zusammenzubringen. Die Entwicklungen in der kurdischen Befreiungsbewegung und vor allem die Organisierung kurdischer Frauen verfolgte Uta von Anfang an mit großem Interesse. Mit ihren revolutionären Ideen, Lösungsansätzen und Kritiken regte sie sowohl in linken Gruppen und Frauenorganisationen in Deutschland als auch in der kurdischen Bewegung immer wieder neue Auseinandersetzungen an und entwickelte neue Initiativen. Bei vielen ihrer Aufenthalte in Kurdistan – so auch bei ihrem letzten Besuch – legte sie den Grundstein für neue Projekte, die den aktuellen Bedürfnissen von Frauen entsprachen und die Stärkung ihres Befreiungskampfes zum Ziel hatten.
Der internationalistische Freiheitskampf und die Suche nach einem menschenwürdigen Leben, ihre aktive Teilnahme an der Vollversammlung des Kongra Gel sowie ihre Entschlossenheit, ihre Erfahrungen und ihr Wissen für den Aufbau einer freien Gesellschaft einzusetzen, all dies charakterisierte die Lebensgeschichten von Hevala Nûdem und Hevala Amara.
Der plötzliche Tod raubte ihnen die Möglichkeit, die Entwicklungen weiterzuverfolgen. Sie haben jedoch als Frauen selbstbestimmt ein Leben gelebt, das viele sich nicht getraut hätten zu leben. Durch ihren Mut und ihre Liebe haben sie zugleich vielen anderen Menschen neuen Mut gegeben, beharrlich zu sein, weiter zu träumen und zu kämpfen!
ISKU, 31. Mai 2017
Interview mit Uta Schneiderbanger, das sie kurz vor ihrem Tod der kurdischen NachrichtenagenturMHA gegeben hat:
https://www.nadir.org/nadir/initiativ/isku/hintergrund/frauen/pja/0057.htm