ANF- FERZAD KAMYARAN
Die schiitische Miliz Heşdî El Şabî gelangte in den letzten Monaten immer wieder in die Schlagzeilen. Vor Beginn der Operation zur Befreiung Mosuls von der IS, gab es eine Diskussion über die Teilnehmer, dabei ging es auch um die Heşdî El Şabî, deren Teilnahme vor allem die Türkei ablehnte. Aktuell sorgt die Heşdî El Şabî erneut für Schlagzeilen. In den letzten Tagen führt sie eine Militäroperation gegen den IS in einem Gebiet das westlich von Mosul beginnt und bis südlich an den Şengal heran reicht durch. Dabei hat sie unter anderem das südlich von Şengal gelegene Dorf Koço befreit, ist anschließend bis an die Grenze zu Rojava/Syrien vorgestoßen und wendet sich nun von dort aus der Grenze entlang wieder Richtung Süden zu.
Die Heşdî El Şabî wurde 2014 im Angesicht der heraufziehenden Bedrohung durch den IS gegründet. Aufgerufen zu ihrer Gründung hatte Großajatollah Ali as-Sistani, der religiöse Führer der Schiiten. Der Iran sagte seine Unterstützung zu und übernahm die militärische Ausrüstung, während der Irak sie offiziell anerkannte.
Mitte des Jahres 2014 hatte, mit Unterstützung ehemaliger Kader der Baath-Partei Saddam Husseins, der IS im Irak Mosul, Enbar, Tikrit und etliche weitere Orte, an denen Sunniten leben, eingenommen und wandte sich Gebieten zu in denen Schiiten leben. Daraufhin rief die religiöse Autorität der Schiiten im Irak Großajatollah Ali as-Sistani am 13. Juli 2014 die Schiiten zum Dschihad, dem heiligen Krieg auf. Der damalige irakische Ministerpräsident Nuri El Maliki unterstützte den Aufruf Sistanis und stellte jenen, die dem Aufruf folgen, die Zahlung von Sold in Aussicht. Nach dem Aufruf Sistanis, der für seine Nähe zum Iran bekannt war, und dem Versprechen des Irans, Militärhilfe zu leisten, wurde die Heşd El Şabî, oder wie sie auch genannt wird, die Kräfte des Haşdi Şabi, für den Kampf gegen den IS gebildet.
Die Heşd El Şabî, die als eine militärische Formation konzipiert war, erhielt Ausbildung sowie logistische und finanzielle Unterstützung aus dem Iran. Der iranische General Kasım Süleymani war für deren Ausbildung zuständig. Allerdings beließ er es nicht damit. Darüber hinaus führte er selbst die Heşd El Şabî bei der Militäroperation in der Provinz Enbar an. Im Folgenden kämpfte die Heşd El Şabî an der Seite der irakischen Armee in Ramadi, Felluce, Tikrit und auch in Mosul gegen den IS. Am 26. November 2016 – die Operation zur Befreiung von Mosul hatte mehr als einen Monat zuvor am 17. Oktober 2017 begonnen – wurde die Heşd El Şabî per Gesetz vom irakischen Parlament zu einer „offiziellen Kraft zur Verteidigung des Irak“ erklärt und bekam so einen offiziellen Status zuerkannt. Darüber hinaus hatte bereits am 7. April 2015 der irakische Ministerpräsident Haydar El Ebadî bekannt gegeben, dass die Heşdî El Şabî mit Beschluss des Kabinetts direkt dem Ministerpräsidium unterstellt und ein offizielles Organ sei.
Der offizielle Status hatte sowohl Vorteile als auch Nachteile für die Heşdî El Şabî. Es bot der Diskussion über ihre Teilnahme an der Operation in Mosul einhalt, vor allem Erdoğan hatte für die Türkei immer wieder darauf gepocht, dass die Heşdî El Şabî von einer Teilnahme auszuschließen sei. Darüber hinaus galten nun für sie aber auch die gleichen Gesetze wie für die Armee, einschließlich der Gesetze, wie sie für jeden irakischen Soldaten gelten. Damit wurde nun auch ihre Ausrüstung von Seiten des irakischen Verteidigungsministeriums bestritten.
Die Heşdî El Şabî besteht aus verschieden Orden der Schiiten, verschiedenen Stämmen und Gruppen. Es heißt, sie hätte seit ihrem Bestehen insgesamt etwa 100.000 Mitglieder in ihren Reihen aufgenommen. Befördert sei der Zulauf vor allem durch die Militärhilfe des Iran und die finanzielle Unterstützung des Irak, so wie die Erfolge bei den Operationen in Ramadi und Tikrit gewesen. Vor allem nach ihrer offiziellen Anerkennung durch den Irak, und damit der Aussicht auf einen Sold zwischen 300 und 600 Dollar, stieg die Anzahl derer, die sich ihr anschlossen rasant an. So soll die Zahl ihrer Mitglieder jetzt zwischen 150.000 und 200.000 betragen. Doch die Heşdî El Şabî ist keine einheitliche Truppe. Unter ihrem Dach befinden sich mehr als 70 Organisationen samt ihren Fahnen. Darunter die Bedir Tugayları, Esaib Ehlul Hak, Hizbullah Ketibesi, Ali Ekber Tugayları und Ensar El Merciyye Tugayları.
Doch wer hat nun das sagen in der Heşdî El Şabî? In der Heşdî El Şabî sollen vor allem zwei Flügel bestimmend sein. Während ersterer für seine Nähe zum İran, der Hizbullah und Maliki bekannt ist, steht der zweite Flügel dem Schiitenführer Mukteda Es-Sadr und dem irakischen Ministerpräsidenten Haydar El Ebadi nah und hält Distanz zum Iran. Die einflussreichste Organisation des Iran nahen Flügels sind die Bedir Tugayları. Während die Organisationen des anderen Flügels zumeist Mukteda Es-Sadr nahe stehen und der Tradition der Mahdi-Armee, einer 2004 von Mukteda Es-Sadr gegründeten Miliz, entstammen.
Die Bedir Tugayları, die dem Iran nahe stehen, sind die älteste und einflussreichste Gruppe in der Heşdî El Şabî. Ihre Beziehungen zum Iran gehen noch zurück auf Zeiten des Krieges zwischen Iran und dem Irak in den Jahren zwischen 1981 und 1988, während dem sie mit Unterstützung des Iran gegen das Regime Saddam Husseins kämpften. Hadi El Amiri, der an ihrer Spitze steht, genießt den Ruf gute Beziehungen zum iranischen General Kasım Süleymani zu haben. Die Bedir Tugayları verfügten seit den Tagen des Iran-Irak-Kriegs über bewaffnete Kräfte. 2008 erklärten sie die Waffen niedergelegt zu haben und eine politische Partei zu sein. 2014 bewaffnete sie sich erneut. Dazwischen ist Amiri bei den Wahlen 2010 Abgeordneter für das „Rechtsstaat Allianz“ genannte Wahlbündnis Malikis gewesen. Die Bedir Tugayları haben in allen Gebieten des Irak Einfluss. Besonders aktiv sind sie jedoch in Diyala, Selahaddin und Kerkuk. Aktuell sollen sie über etwa 20.000 bis 30.000 Mitglieder verfügen. In ihren Reihen sind schiitische Araber, aber auch Türkmenen, Kurden, Christen und Mitglieder anderer Gemeinschaften zu finden.
Eine weitere Organisation in der Heşdî El Şabî ist die Hizbullah Ketibesi. Diese Gruppe war auf der Basis der Gruppe „Muhtar ordusu“, die 2003 während der amerikanischen Intervention im Irak gebildet wurde, gegründet. Die Hizbullah Ketibesi erklärte, sie folge der religiösen Autorität des Revolutionsführers und Staatsoberhauptes des Iran Ajatollah Seyid Alî Khamenai. Die Hizbullah Ketibesi ist in ganz Irak aktiv, vor allem unter den Türkmenen hat sie viele Sympathisanten. Sie unterhält Kontakte zu vielen Organisationen die in der Tradition der Hizbullah stehen. Es heißt, sie habe um die zehntausend Mitglieder.
Auch die Seyyîdul Şuheda Ketibesi steht dem Iran nahe. Sie leistet den Loyalitätseid auf Ajatollah Seyid Alî Khamenai. Chef der Seyyîdul Şuheda Ketibesi ist Hecî Ebû Ala, welcher bekannt ist für seine Nähe zur Hizbullah. Gleichzeitig unterhält seine Organisation gute Beziehungen auch zu Maliki.
Und auch die Horasan Tugayları stehen dem Iran nahe. Es heißt, dass sie ihren Ursprung im Iran hat und auch ihre Leitung im Iran sei. Sie ist im Raum Xurmatû aktiv und soll etwa 3000 Mitglieder zählen.
Die Esaib Ehlul Hak hat sich bei Zeiten von der von Mukteda Es-Sadr gegründeten Mehdi Ordusu abgespalten. Sie verfügt an Orten wie Necef, Kerbela oder Bagdad über Einfluss. Ihr Chef ist Qeys El Xezalî. Die Esaib Ehlul Hak soll über etwa zehntausend Mitglieder verfügen.
Die Saraya El Selam soll Ebadi nahe stehen. Sie ist an vielen Orten aktiv, allen voran in Samara und Necef. Es heißt, dass diese von Muqteda Es-Sadr 2014 gegründete Organisation, an die 10000 Mitglieder zählt.
Unter dem Dach der Heşdî El Şabî sind viele Gruppen, die entweder dem Iran oder dem Irak näher stehen. Um nur einige zu erwähnen: Ali Ekber Tugayları, Ensar El Merciyye Tugayları, İmam Ali Ketibesi, Fırkatul Ebbas Ketibeleri, Feylaq El Kerrar, Seraya El Cihad, Seraya Ensal El Aqide, Hareket El Nucebba, Ebû Fadil Ebas Ketibesi, Şehit El Aval Ketibesi, Seraya El Cihad, Tayyar El Risali Ketibesi, Ehrar El Irak Ketibesi, Difaa El Mukaddes Ketibesi, Ruhallah Ketibesi, El Gadab Ketibesi, Ensar El Hicce Ketibesi, İmam Hüseyin Ketibesi, Irak Hizbullah Mücahitleri, İmam El Gaib Ketibesi, Feylak El Vaad El Sadık, Kuvvet El Şehid Sadr, Liva Youm El Kaim, Liva Esedulah Galip, Hizbullah El Sayrun, Liva Zülfikar, Liva El Muntadar, Mukavveme İslamiye, Liva İmam El Hasan El Mücteba, Hizbullah El Ebrar, Saraya El Zehra, Hareket El Abdal, Liva Ammar İbni Yasır, Fettah El Mubin Ketibesi, Şebab El Risali Ketibesi, Liva El Sadıkeyn, Liva İmam El Kaim, Liva El Kaim, Liva El Karya, Seraya Aşura, Babiliyyun Tugayı, Fewca Laleş (Laleş Tugayı) uä.
Fazit: Es ist zu erwarten, dass in einer Phase, in der die konfessionell geprägten Auseinandersetzungen im Irak ständig zunehmen, auch der Einfluss Heşdi El Şabi weiterhin zunehmen wird. So kann man wohl davon ausgehen, dass die Heşdi El Şabi auch nach der Operation in Mosul weiterhin fortbestehen wird.
Die Sunniten jedoch beobachten die Existenz der Heşdi El Şabi mit Besorgnis. So wird die Heşdi El Şabi wohl auch nach der Befreiung Mosuls als eine der meist diskutierten Organisationen auf der Agenda verbleiben.
ANF, 03.06.2017, ISKU