Gestern sind in Köln mehrere zehntausende Menschen zusammengekommen, um gegen die Kriegspolitik des türkischen Staates im nordsyrischen Afrin auf die Straßen zu gehen und ihre Stimmen zu erheben. Die Beteiligung an der Demonstration und das Medieninteresse übertrafen deutlich unsere Erwartungen. Allerdings konnten wir unseren Protest nicht erfolgreich zu Ende führen, weil die Polizei die Demonstration vielfach wegen des Zeigens von “verbotenen Symbolen” unterbrochen und schließlich aufgelöst hat. Unsere Versuche, mit der Polizei eine Lösung für die gegebene Situation zu finden, wurden abgeblockt. Stattdessen kesselten die Polizeikräfte einen Teil der Demonstration ein und führten Identitätsfeststellungen bei einzelnen Teilnehmern des Protestes durch. Wir sind erleichtert darüber, dass es trotz des Vorgehens der Polizei zu keinen unschönen Szenen bei der Demonstration kam und danken allen Menschen, die trotz der Polizeimaßnahmen besonnen reagierten.
Nur in Deutschland kam es bei den Afrin-Protesten zu einem Eingreifen der Polizei
Gleichzeitig möchten wir darauf aufmerksam machen, dass Köln am gestrigen Tag der einzige Ort war, an dem es bei einer Demonstration gegen den Angriffskrieg der Türkei in Afrin zu solch einem Eingreifen der Polizei kam. Denn auch in Paris, London, Zürich, Wien, Amsterdam, Stockholm, Brüssel und dutzenden anderen Städten in Europa und auf der ganzen Welt kam es zu Solidaritätsdemonstrationen für Afrin. Und nirgendswo ist die Polizei in irgendeiner Weise wegen dem Zeigen von “verbotenen Symbolen” oder aus anderen Begründungen in die Demonstration hineingegangen oder hat sie gestoppt.
In Deutschland hingegen erkennen wir, dass die Bundesregierung einen politischen Kurs eingeschlagen hat, der aus unserer Sicht als Beihilfe für den türkischen Staat im Kampf gegen die kurdische Bevölkerung zu werten ist. Zu dieser Beihilfe gehören die deutschen Rüstungsexporte an die Türkei, die gegenwärtig in Afrin gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt werden. Aber auch die Ereignisse auf der gestrigen Großdemonstration sind aus unserer Sicht Ausdruck dieses Verhältnisses zwischen Deutschland und der Türkei.
Die Absurdität des Fahnenverbots eindrucksvoll unter Beweis gestellt
Es sei daran erinnert, dass das allgemeine Verbot des Zeigen des Bildes von Abdullah Öcalan in Deutschland eine Folge des ausgeübten Drucks vonseiten der türkischen Regierung ist. Nachdem im vergangenen Jahr der deutsche Botschafter in der Türkei rund ein dutzend Mal aufgrund von kurdischen Demonstrationen im Bundesgebiet von der türkischen Regierung einbestellt worden ist, entschloss sich die Bundesregierung deutlich restriktiver gegen unsere Vereine und Mitglieder vorzugehen. Wir erfahren seitdem spürbare Einschnitte in unsere Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Die Demonstration in Köln hat die gesamte Absurdität um das Fahnenverbot deshalb nochmals eindrucksvoll unter Beweis gestellt.
Die Zahl der Ermittlungsverfahren gegen kurdische Aktivisten in Deutschland ist von rund 15 im Jahr 2013 auf etwa 130 im vergangenen Jahr gestiegen. Es kommt mittlerweile, wie gestern in Köln, regelmäßig zu polizeilichem Eingreifen in unsere Demonstrationen. Haus- und Vereinsdurchsuchungen stehen ebenfalls stets auf der Tagesordnung. Gegenwärtig üben die Bundesregierung und ihre Sicherheitsbehörden einen enormen Druck auf unsere Vereine und Mitglieder aus. Und das Ganze geschieht parallel zum Vernichtungskrieg des türkischen Staates gegen die kurdische Bevölkerung innerhalb und außerhalb der türkischen Staatsgrenzen.
Das Zeigen von Öcalan-Fahnen ist ein Akt des zivilen Ungehorsams
Zum Schluss möchten wir noch zum Ausdruck bringen, dass wir das Zeigen der Fahnen des inhaftierten PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan für legitim erachten. Abdullah Öcalan ist eine Symbolfigur des jahrzehntelangen Kampfes der Kurdinnen und Kurden für die Anerkennung ihrer Rechte. Millionen von Menschen haben in Unterschriftenkampagnen Öcalan zu ihrem politischen Repräsentanten erklärt und seine Freilassung gefordert. Selbst auf Seiten des türkischen Staates herrscht die Einsicht, dass keine politische Lösung der kurdischen Frage ohne die Einbindung Abdullah Öcalans möglich ist. Zwischen 2009 und 2011 sowie zwischen 2013 und 2015 hat der türkische Staat Friedensgespräche mit Öcalan geführt, bevor diese einseitig von Seiten der AKP aufgekündigt wurden. Es steht also außer Frage, dass für eine friedliche Lösung des Konflikts in Kurdistan Abdullah Öcalan eine ähnliche Rolle zukommt wie Nelson Mandela bei der Überwindung des Apartheid-Regimes in Südafrika. Darüber hinaus ist Abdullah Öcalan Ideengeber für eine demokratische, pluralistische und geschlechterbefreite Gesellschaftsordnung, die derzeit in Teilen des Mittleren Ostens, und das nicht nur unter den Kurden, Fuß fasst. Wenn die Menschen weltweit deshalb die mutigen Frauen feiern, die im Norden Syriens gegen IS kämpfen, dann sollten sie auch wissen, dass diese Frauen ihren Mut aus den Ideen Abdullah Öcalans schöpfen.
Aus den genannten Gründen genießt das Verbot für das Zeigen der Bilder von Abdullah Öcalan innerhalb der kurdischen Bevölkerung keinerlei Legitimität. Folglich stellt das Zeigen der Fahnen mit Bild Öcalans einen Akt des zivilen Ungehorsams gegen ein illegitimes Verbot dar.
Wir fordern an dieser Stelle nochmals und mit Nachdruck von der Bundesregierung
- die Aufhebung der Verbote von kurdischen Symbolen und Fahnen!
- ein Ende des PKK-Verbots in Deutschland, das dieser Kriminalisierung die Grundlage bietet!
- ein vollständiges Ende der Rüstungsexporte an die Türkei!
- ein entschiedenes Vorgehen gegen die Agentenstrukturen des türkischen Staates in Deutschland!
Weiterhin bedanken wir uns bei allen Menschen, die mit uns gemeinsam in Köln auf die Straßen gegangen sind. Wir werden weiterhin auf den Straßen sein und freuen uns euch dort wiederzusehen. Lasst uns unseren Protest solange aufrechterhalten, bis der Angriffskrieg des türkischen Staates auf Afrin vollständig zum Erliegen kommt!