Der Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte es schon angekündigt: „Alle, die uns jetzt sagen, man muss die Türkei von morgens bis abends kritisieren, denen rate ich, das nicht fortzusetzen. Wir haben Interessen. Die Türkei hat Interessen. Das ist ein wichtiger Punkt. […] Natürlich gibt es in der Türkei Dinge, die wir zu kritisieren haben. Aber die Türkei, wenn wir von ihr etwas wollen, wie, dass sie die illegale Migration unterbindet, dann muss man auch Verständnis dafür haben, dass es im Zuge des Interessenausgleichs auch Gegenleistungen gibt.“1
Heute, am 11.02.16 wurde ein weiterer Teil dieser Gegenleistung erbracht. Gegen 10.00 Uhr stürmte ein schwerbewaffnetes Großaufgebot der Polizei das Unabhängige Jugendzentrum Kornstraße in Hannover. Beschlagnahmt wurden ein paar Plakate und Flyer sowie vier PCs. Die fadenscheinige Begründung für diese absolut unverhältnismäßige Aktion ist der Verdacht, der Vereinsvorstand des UJZ Kornstraße habe gegen das Vereinsgesetz verstoßen, indem er einer verbotenen Vereinigung – gemeint ist die Arbeiter*innenpartei Kurdistan (PKK) – Räume des Jugendzentrums zur Verfügung gestellt habe.
Der schmutzige Deal ist offensichtlich: die Türkei schottet die Festung Europa gegen weitere Flüchtende ab, die vor Krieg und Armut aus ihren Heimatländern fliehen; Krieg und Armut, die auch von Europa in die Welt – v.a. den Mittleren Osten – getragen werden. Als „Gegenleistung“ schaut Europa und allen voran die Bundesregierung weg, wenn das AKP-Regime in der Türkei kritische Medien, die demokra-tische Opposition sowie die kurdische Bevölkerung unterdrückt.
Die BRD beschränkt sich jedoch nicht nur aufs Wegsehen, sondern packt auch immer wieder selbst mit an, wenn es darum geht, die kurdische Selbstbestimmung und Basisorganisierung anzugreifen. Die Razzia ist ein Beispiel. Weitere sind die Anklagen von Aktivisten wegen vermeintlicher PKK-Mitgliedschaft und Verurteilung zu langjährigen Haftstrafen. Den Grund für diesen Einsatz hat de Maizière deutlich benannt: IHRE Interessen – machtpolitische, geostrategische, nicht zuletzt wirtschaftliche Interessen.
Besondere Angst um ihre Interessen haben die Staaten – egal ob Türkei oder BRD –, wenn kurdische und nicht-kurdische Menschen zusammenfinden, beginnen sich kennenzulernen und ihre Gemeinsamkeiten entdecken. Als NAV-DEM Hannover haben wir in den letzten zwei Jahren häufig das UJZ Kornstraße genutzt, da wir keine eigenen Vereinsräume hatten. Dafür bedanken wir uns ausdrücklich bei unseren Freund*innen von der „Korn“. Den Angriff auf sie verstehen wir als einen Angriff auf unsere gemeinsame Freundschaft. Das werden wir nicht zulassen und solidarisieren uns darum noch deutlicher!
Die BRD sollte sich fragen, welche Interessen sie vertreten will. Die Freiheitsbewegung Kurdistans hat in den letzten Jahren bewiesen, dass sie ein Faktor für Stabilität, Demokratisierung und Frieden im Mittleren Osten ist; erinnert sei an die Rettung tausender Êzîd*innen vor dem Islamischen Staat (IS), das deeskalierende Auftreten im Syrien- Konflikt, den Aufbau demokratischer Strukturen wie der Demo-kratischen Partei der Völker (HDP) oder der unaufhörliche Einsatz für eine politische Lösung der kurdischen Frage durch Dialog. Wenn die BRD wirklich Frieden und Demokratie für den Mittleren Osten und Europa will, muss sie das PKK-Verbot aufheben.
Ein Garant für diesen politischen Weg zum Frieden ist Abdullah Öcalan, Vorsitzender der PKK und seit nunmehr 17 Jahren politischer Gefangener. Immer wieder hat er alle Beteiligten zum Dialog aufgerufen und ist konsequent für eine politische Lösung des Kurdistan-Konflikts eingetreten. Seinem Beispiel sollte die Bundesregierung folgen und sich für ein Ende des Kriegs, einen Dialog aller Beteiligter und die Freiheit Abdullah Öcalans einsetzen. Ein erster Schritt wäre die sofortige Aufhebung des PKK-Verbots.
Darum rufen wir auf zur Demo am 12.02.16, 18.00 Uhr, Steintor-Platz/Hannover:
Gegen die Kriminalisierung des UJZ Kornstraße!
Weg mit dem Verbot der PKK!
NAV-DEM Hannover, 11.02.2016
Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Hannover
1 Monitor-Interview: ausgestrahlt am 04.02.16 in der ARD