Türkei – Nach einer Unterredung mit Staatspräsident Erdoğan erklärte der türkische Ministerpräsident Davutoğlu gestern, dass er sein Amt „notwendiger Weise“ aufgibt. Zuvor war es schon zu Spekulationen um seinen Rücktritt gekommen, nachdem diesem die Möglichkeit innerhalb seiner Partei Kreis- und Ortsvorsitzende zu bestimmen entzogen worden war. Ein Rücktritt wird Davutoğlu jedoch erspart. Am 22. Mai tritt die AKP zu einem Sonderparteitag zusammen. Davutoğlu wird nicht erneut für eine Kandidatur als Parteichef zur Verfügung stehen. So findet an der Spitze der AKP ein Wechsel statt, verbunden damit auch an der Spitze der Regierung. Während der Vorgang in Ankara noch Wellen schlägt, propagiert Erdoğan schon munter sein Präsidialsystem und die Notwendigkeit eine dem entsprechend neue Verfassung für die Türkei zu verabschieden. Demirtaş kommentierte den Vorgang dann auch mit den Worten: „Erdoğan hat sich entschlossen einen Ministerpräsidenten, den er ernannt hat, auszuwechseln. Das ist in dem Sinne kein Staatsstreich gegen Davutoğlu. Davutoğlu ist nur eine Marionette. Wir sprechen im Zusammenhang mit dem 8. Juli (2015) von einem Staatsstreich. Und diesen hat Davutoğlu unterstützt.“ Seit den Parlamentswahlen am 7. Juli des Vorjahres hat Erdoğan in der Türkei de facto die Macht an sich gerissen und das Parlament entmachtet. Die Bestrebungen zur Aufhebung der Immunität sieht Demirtaş dann auch nur „als einen Teil dieses Staatsstreiches an, der nicht gegen Davutoglu, sondern gegen die Bevölkerung gerichtet“ sei. So wundert es einen nicht, dass trotz der Verschiebungen in Ankara das umstrittene Gesetz zur Aufhebung der Immunität planmäßig am 16. Mai vor dem türkischen Parlament behandelt werden soll. Zum Thema Aufhebung der Immunität betonte Demirtaş erneut, dass die HDP nicht die Immunität verteidigt: „Das Parlament ist Ausdruck des Willens des Volkes. Das ist es, was wir hier verteidigen. Aber sollten es so weit kommen, dass unsere Kollegen verhaftet, ihnen ihr Mandat entzogen wird, dann werden wir keine (uns zur Verfügung stehende) Möglichkeit außer Acht lassen. Parlamente werden vom Volk getragen. Wenn das Volk es will, kann es auch mehr als ein Parlament ins Leben rufen. Diese Gruppe – die Abgeordneten der HDP – steht an der Seite des Volkes. Was das Volk will, dass wird sie zu tun im Stande sein. Wenn das hier im Parlament nicht zu machen ist, dann sind wir nicht bar jeglicher Möglichkeit“. Für Demirtaş ist damit klar: Das Parlament ist nicht alles. Er erklärt: „In Ländern, in denen die Straße nicht lebendig und voller Leben ist, ist ohnehin eine Diktatur errichtet worden“, und weist darauf hin, dass „die Demokratie auf der Straße errungen worden ist. Parlamente allein reichen nicht, eine Demokratie zu errichten.“
ANF, 03.05.2016, ISKU