Erdoğan arbeitet seit langem an der Einführung eines Präsidialregimes. De facto existiert es seit dem 7. Juni 2015. Bei den Parlamentswahlen im vergangenen Jahr hatte die AKP herbe Stimmenverluste einstecken müssen, als immer noch stärkste Partei benötigte sie jetzt einen Koalitionspartner um zu regieren. Erdoğan beauftragte Davutoğlu mit der Bildung einer Regierung, während er die Geschäfte leitete. Als Davutoğlu dies nicht gelang wurde im November eine Neuwahl anberaumt. Die AKP erhielt wieder, mit welchen Mitteln sei dahin gestellt, die zum Alleinregieren nötige Stimmenmehrheit. Doch die AKP unter Davutoğlu hatte nicht den Funken einer Chance gegen das Charisma ihres ehemals Vorderen. Die Regierung der AKP und ihr Ministerpräsident Davutoğlu fristeten also eher ein Schattendasein im hellen Lichte Erdoğans, der alles dafür tat, dass dies auch so blieb. Und auch unter Binali Yildirim sollte dies sich weiter verfestigen. Längst war auch eine Formel gefunden die de facto Herrschaft Erdoğans Systemkonform werden zu lassen. Sie sah vor, die Verfassung dahin gehend zu ändern, dass das Verbot einer Parteimitgliedschaft des Präsidenten aus der Verfassung gestrichen wird. Erdoğan war nur einen Hauch davon entfernt seinen Traum wahr werden zu lassen.
Und auch die in den Letzten Wochen aufgeflammte Diskussion betreffs der Echtheit seines Universitätsdiploms, und damit ob Erdoğan überhaupt Staatspräsident hätte werden können ist, sollte sie ihm jemals Kopfschmerzen bereitet haben, ist mit den Ereignissen von 15. Juli wohl Geschichte. Genauso wie die Frage, falls das Diplom denn nicht echt ist, wie es wohl zustande kam. In Demokratien müssen Politiker für weniger ihren Hut nehmen. Aber wäre dies in der Türkei auch so gewesen? Das wird man nicht mehr erfahren. Um einen Staatsstreich zu vollführen braucht es nicht zwingend des Militärs. Erdoğan ist kein Militär, doch sie waren ihm mehr als dienlich. Wer allerdings von ihm Demokratie erwartet, sollte sich die Geschehnisse in den kurdischen Gebieten der Türkei vor Augen führen. Er wird enttäuscht werden.