Nach den Wahlen in der Türkei ist vor den Wahlen:
Am 1. November wurde in der Türkei ein neues Parlament gewählt. Die AKP von dem Staatspräsident Erdoğan konnte einen deutlichen Stimmungszuwachs verzeichnen. Doch auch die progressive HDP schaffte trotz massiver Repressionen den Einzug ins Parlament.
Vorausgegangen waren die Parlamentswahlen vom 7. Juni, bei der die AKP die absolute Mehrheit verlor, die HDP mit 80 Abgeordneten ins türkische Parlament einzog und damit der Traum des Staatspräsidenten Erdoğan von einem Präsidialsystem mit uneingeschränkter Macht platzte. Prompt wurden die Verhandlungen mit der kurdischen Seite für eine friedliche Lösung der kurdischen Frage und Demokratisierung der Türkei einseitig aufgekündigt und alle Mittel der Kriegsführung zum Einsatz gebracht. Bombenattentate, Razzien, Militäroffensiven gegen die Zivilbevölkerung und PKK-Stellungen gehören wieder zum Alltag in Kurdistan, aber auch in der Türkei – man erinnere den Bombenanschlag von Ankara. Vor Grenzüberschreitungen schreckt die türkische Armee ebenfalls nicht zurück. Neben Bombardierungen von PKK-Stellungen im Nordirak sind zudem wiederholt Angriffe gegen Rojava, die autonome Region im Norden Syriens, zu verzeichnen. Die Zivilbevölkerung hielt und hält weiter an der autonomen Selbstverwaltung als wesentlicher Bestandteil des Demokratisierungsprozesses in der Türkei fest.
Nach den Wahlen vom 1. November dauert der Staatsterror in Kurdistan weiter an. Armee und Sicherheitskräfte riegeln ganze Stadtteile ab – zuletzt in Silvan / Diyarbakir –, schießen wahllos auf Zivilisten gemäß Erdoğans Prinzipien „auch wenn es Frauen und Kinder sind“ (Zitat März 2006), brennen Häuser nieder, bombardieren den Norden Syriens und des Irak.
In Silvan droht ein größeres Massaker. Seit dem 2. November hängt über den Distrikt eine Ausgangssperre. Schafschützen verschanzen sich auf den Dächern. Dabei werden diese von patrouillierenden Kriegspanzern und Kampfhubschraubern unterstützt. Bisher kamen mindestens 7 Menschen bei den willkürlichen Bombardierungen und Schüssen türkischer Sicherheitskräfte ums Leben. Silvan gleicht einem Kriegsschauplatz. Die Wände von zerstörten Häusern sind von zahlreichen Einschusslöchern gezeichnet.
Auch die Angriffe der türkischen Luftwaffe auf syrisches Terrain nehmen weiter zu. Nachdem die Völker Rojavas (Nordsyriens) Anfang des Jahres die Stadt Kobanê aus den Fängen der Terrormiliz Islamischer Staat befreien konnten, greift nun das türkische Militär den selbstverwalteten Kanton an. Gleichzeitig begann auch der IS mit einer neuen Offensive auf Kobanê und andere Teile Rojavas, was ein weiteres Indiz für die offensichtliche Kooperation der Türkei mit dem IS ist.
Trotz aller Repressionen und Angriffe hatte die kurdische Seite vor den Wahlen vom 1. November eine einseitige Waffenruhe – alle Waffenstillstände waren bisher einseitig von kurdischer Seite ausgehend – ausgerufen. Doch weder in der Türkei noch international gab es Anstrengungen, diese Waffenruhe zu festigen. Die Weltgemeinschaft, die noch wenige Wochen zuvor eine Rückkehr an den Verhandlungstisch gefordert hatte, schweigt.
Dieses Schweigen gilt es zu brechen.
V.i.S.d.P: NAVDEM
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