Ebu Seyf: Aus der Tyrannei des IS zur Teilnahme am Freiheitskampf

Ebu Seyf

Ebu Seyf | Foto: ANF

Ein Bericht von Mahir Yılmazkaya, ANF

RAQQA – Wir hatten die Möglichkeit die Operation zur Befreiung Raqqas in ihrer ersten Phase zu begleiten. Die Operation gründete auf dem Hilferuf der Menschen Raqqas am 5. November 2016. Nun bekamen wir die Möglichkeit auch die zweite Phase zur Befreiung Raqqas auf ganzer Länge der Front zu begleiten. Überall, an jeder Stelle der Front, hatten wir die Gelegenheit, Kämpferinnen und Kämpfer der Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) in jeder Minute ihres Kampfes zu verfolgen und mit zu erleben.

In den Dörfern, Weilern und Frontgebieten, die bereits von den SDF Kräften befreit worden waren, hatten wir die Chance mit arabischen, turkmenischen, kurdischen, assyrischen und tscherkessischen Kämpfer*innen, sowie Zugehörige weiterer ethnischen oder religiösen Gruppen zu sprechen. All diese Menschen sind Teil der Demokratischen Kräfte Syriens und kämpfen gemeinsam gegen den Faschismus des IS.

Nachts lauschten wir den Geschichten der Kämpfer*innen bei Tee am Feuer oder in den Schützengräben an der Front.

Einige verloren ihre Familien, ihre Partner*in und Kinder in diesem Krieg. Einige wurden aus ihren Dörfern und Städten vom IS, Al-Nusra, Ahrar Al Sham und anderen Gruppen sowie auch von Assads Baath Regime vertrieben.

Aufgrund des Krieges flohen viele ihrer Familien in die Türkei, nach Nordkurdistan oder bis nach Europa. Aber die meisten starben beim Grenzübertritt in die Türkei oder bei dem gefährlichen Seeweg Richtung Europa.

Es gibt jedoch auch diejenigen, die nicht flohen, sondern bleiben und kämpfen, in Gefangenschaft geraten, fliehen und weiter kämpfen, um Demokratie und ein freies Syrien aufzubauen und damit eine andere Welt als die vom IS, Al-Nusra, Ahrar Al Sham und dem Baath Regime.

Einer dieser Menschen ist Ebu Seyf.

Ebu Seyf ist Araber aus Raqqa. Wir trafen an der Westfront zu Raqqa, wo er zunächst sehr widerwillig mit uns sprechen wollte, da sich immer noch Verwandte von ihm unter der Gewaltherrschaft des IS in Raqqa befinden.

Schließlich willigte der 26 jährige dennoch unter einer Bedingung ein. Ebu Seyf hat Familie in Raqqa und will nicht auf Video aufgenommen werden. Ich erklärte ihm mein Einverständnis, erklärte dass gar kein Bild von ihm unmöglich ist. Ich sagte ihm, ich müsse zumindest von ihm ein paar Fotos machen. Ebu gab schließlich nach und akzeptierte.

Und er begann seine eigene und die Geschichte seiner Familie zu erzählen. Er stellte sich vor, erzählte, dass er selbst Araber sei und aus Raqqa komme. In der Zeit die in Europa als „Arabischer Frühling“ betitelt wurde, begann er an Demonstrationen teilzunehmen. Nach Ausbruch des Krieges in Syrien schloss sich Ebu zunächst der Freien Syrischen Armee (FSA) an. Doch die FSA fiel schnell unter den Einfluss nationaler und internationaler Kräfte und so verließ er sie bereits nach rund drei Monaten wieder. Er berichtete, dass die Stadt in der er geboren wurde und aufgewachsen ist, Raqqa, zunächst unter Kontrolle der FSA stand, später jedoch in die Hände anderer Gruppen wie Al-Nusra, Ahrar Al Sham und letztlich dem IS fiel.

Ebu Seyf sprach von zwei Familienmitgliedern die vom IS enthauptet wurden, zwei weitere wurden gefoltert. Er selbst wurde vom IS 48 Tage in Gefangenschaft gehalten. Er erlitt über Wochen starke Misshandlungen und Folter, bis er schließlich eine Fluchtmöglichkeit fand.

Nachdem sich 2015 die Demokratischen Kräfte Syriens gründeten, schloss sich Ebu umgehend an. Er erklärte, dass der hauptsächliche Grund für seinen Beitritt die Befreiung seiner Familie und seine Landes sei, er wolle die eigentliche Revolution, die den Menschen Syriens genommen wurde, zurück bringen.

Ebu Seyf sagte, dass das Ziel sei, ganz Syrien vom IS zu befreien, der erste Schritt dazu sei Raqqa. Er betonte, dass sie die höchste Moral haben, da sie dabei sind ihr Land zu befreien. Zunächst wollen Ebu und seine Mitstreiter*innen die besetzten syrischen Gebiete, wie Raqqa, Al-Bab, Cerablus, Azez und schließlich ganz Syrien befreien. Dafür werden sie bis zum letzten Tropfen Blut kämpfen und die unterdrückten, gefolterten und ermordeten Menschen rächen. Er beendete sein Interview mit einem Aufruf zur Rückkehr aller Menschen die Syrien verlassen haben, sowie an die arabische Jugend sich den Demokratischen Kräften Syriens anzuschließen und den Kampf für Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichheit gegen den IS zu stärken.

Mahir Yılmazkaya – ANF, 13. Dezember 2016, ISKU

Dieser Beitrag wurde in Presse, QSD/HSD, Rojava/Nordsyrien, Uncategorized veröffentlicht und getaggt , , , . Ein Lesezeichen auf das Permalink. setzen. Sowohl Kommentare als auch Trackbacks sind geschlossen.