Am 15. Dezember wurde Maxime Demiralp, Chefredakteur der kurdischen Nachrichtenagentur Fırat News (ANF) mit Hilfe eines internationalen Haftbefehls durch Interpol in Brüssel festgenommen. Initiator dieser Verhaftungen ist wie bereits in anderen Fällen der türkische Staat. Dieser wirft Maxime Demiralp „Verbindungen zu einer Terrororganisation“ vor und benennt als Begründung verschiedene Artikel, die über ANF veröffentlicht wurden.
Der türkische Staat geht spätestens seit dem Putschversuch vom 15. Juli gegen jegliche Opposition und kritische Presse vor. Zurzeit befinden sich laut Reporter ohne Grenzen mehr als 40 Journalist*innen wegen ihrer Arbeit in türkischen Gefängnissen, bei dutzenden weiteren lässt ihre journalistische Tätigkeit als Grund für ihre Verhaftungen schließen. Unzählige Zeitungen, Radio- und Fernsehsender wurden verboten oder enteignet. Sämtliche Medien sollen gleichgeschaltet werden und der staatlichen Zensur unterliegen. Aktuell belegt die Türkei Platz 151 von 180 Nation bei der Bewertung der Presse- und Meinungsfreiheit. Doch der Würgegriff Erdoğans reicht mit Hilfe der EU, der NATO und Interpol bis hierher.
Während vor allem die deutsche Bundesregierung durch Verfolgung und Verurteilung vermeintlicher PKK-Mitglieder den stärksten Partner der Türkei spielt, wird in Hamburg ein Geheimdienstmitarbeiter der türkischen Regierung enttarnt und verhaftet, bei ihm Anschlagsziele und eine schwarze Liste aufgefunden. Auch in Belgien konnte vor einigen Jahren eine Geheimdienstzelle der türkischen Regierung aufgedeckt werden, die Anschläge vorbereitete, Anschläge wie den auf drei kurdischen Politiker*innen Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez in Paris im Januar 2013. Der Attentäter stammte aus der Türkei, unterhielt Kontakte zu türkisch-faschistischen Gruppen sowie zum türkischen Geheimdienst. Er wurde vor wenigen Tagen tot in seiner Zelle in Frankreich aufgefunden, kurz bevor der Prozess gegen ihn beginnen sollte.
Gerade die Verhaftung in Belgien gegen Demiralp erstaunt, war es doch ein belgisches Gericht, das erst vor kurzem in einer Urteilsverkündung gegen mutmaßliche PKK-Mitglieder verkündete, dass die Aktivitäten der PKK, die in den kurdischen Gebieten der Türkei gegen Soldaten und Polizisten vorgeht, als Handlungen im Rahmen eines „bewaffneten Konflikts“ einzuordnen seien. „Diese Resolution erkennt an, dass es in der Türkei einen Krieg gibt und dass die Anschuldigungen Ankaras, die Kurden seien Terroristen, falsch sind“, so das Urteil.
Und nun handelt genau jenes Belgien nach den Wünschen der türkischen Regierung und verhaftet einen Journalisten, weil die von ihm geleitete Nachrichtenagentur u.a. über die PKK berichtet.
In der Charta der Grundrechte der Europäischen Union steht über die Meinungsfreiheit, dass sie eine doppelte Funktion hat: Einerseits dient sie jedem einzelnen Menschen, seine Persönlichkeit zu entwickeln. Gleichzeitig ermöglicht sie den Meinungsaustausch im Kontakt mit anderen Menschen.
Es darf nicht zugelassen werden, dass die Presse- und Meinungsfreiheit weiter eingeschränkt wird. Die Mitarbeiter*innen der kurdischen Nachrichtenagentur ANF leisten eine wichtige Arbeit gegen die Vernichtung der unabhängigen Presse. ANF ist in der Medienlandschaft eine der wenigen Stimmen, die ungetrübt die politische, militärische Lage des Nahen und Mittleren Osten beleuchtet und über die Lebensrealität der Menschen in der Region berichtet. Aus diesem Grund ist ANF dem AKP-Regime ein Dorn im Auge.
Schützt die Meinungs- und Pressefreiheit in Europa, der Türkei und weltweit!
Gegen die antidemokratischen Entwicklungen in der Türkei und überall!
Freiheit für Maxime Demiralp und alle politischen Gefangenen!
ISKU | Informationsstelle Kurdistan e.V., 22. Dezember 2016