Die Geographie des Mittleren Osten ist von einer blutigen Geschichte geprägt. Das deutlichste Beispiel dafür ist der Genozid in Şengal am 3. August 2014 und viele tagtäglich andere Massaker in Region. Während in Demokratien Pluralität einen Vorteil darstellt, kehrt es sich in undemokratischen Situationen in einen Nachteil um.
In diesen Tagen sind wir aber auch Zeugen von Entwicklungen, die diesen Trend Einhalt gebieten, das Projekt der demokratischen Autonomie in Şengal. Das nationalstaatliche Paradigma hat im Mittleren Osten ausgedient. Das Diktum „etwas dort zu suchen, wo man es verloren hat“, findet mit der demokratischen Autonomie in Şengal noch mehr Bedeutung. An jedem Ort der Welt gibt es eine gesellschaftliche Lebensrealität. Im Mittleren Osten sind dies die Farbenreichtum, die vielen Sprachen und Glaubensrichtungen.
Die regionalen Nationalstaaten gießen mit ihrem Willen diese Pluralität abzuschaffen, noch mehr Benzin ins Feuer der Konflikte im Mittleren Osten. Die Deklaration des Rates von Şengal ist in diesem Kontext ein Gegenmittel. Es ist gleichbedeutend damit, dass die Gesellschaften mit eigener Kraft zusammen kommen, um in ihrer eigenen Sprache ihre eigene Zukunft aufzubauen. Es ist eine große Chance, die Region von der Herrschaft eines einzigen Mannes oder Clans zu befreien. Zuallererst öffnet es die Tür für die geflohenen Êzîden in ihre Heimat zurückzukehren. Denn die hohe Zahl der geflüchteten Êzîden ist von Bitterkeit gezeichnet. Wenn man die Deklaration auf den allgemeinen Irak projiziert, der niemals geschafft hat demokratisch zu werden, ist es eine bedeutende Chance. Wenn man dann noch die Rolle der Frau hinzufügt, dann trägt sie eine revolutionäre Bedeutung. Für die Frau, die in der Region ignoriert wurde, öffnet sich ein Raum zum Atmen. Die demokratische Autonomie in Şengal trägt auch das Potential, die Regierungsweise in Südkurdistan zu hinterfragen und der dortigen Gesellschaft einen Kampffeld zu öffnen.
Das von der südkurdischen Regierung für den 25. September geplante Unabhängigkeitsreferendum findet im Iran und der Türkei, als auch international keinen positiven Anklang. Als Hauptargument wird angeführt, dass ein kurdischer Staat die Region in ein noch tieferes Chaos stürzen könnte. Die regionalen Hegemonien geben mit diesen Worten eigentlich selbst zu, dass das Nationalstaatenmodell den Gesellschaften keine Vorteil mehr bringt.
Die starke Unterstützung des Modells der demokratischen Autonomie ist eine große Verantwortung für die internationalen demokratischen Kräfte. Wir man schon in Rojava gesehen hat, hat sich auf der ganzen Welt eine Welle der Solidarität ausgebreitet. Denn Solidarität kennt keine Grenzen.
Afe Şengal, 31.08.2017