Warum das Büro der YNK in Ankara geschlossen wurde

Am 25. August wurde ein neues Dekret veröffentlicht – nur zur Information sei hier noch einmal darauf hingewiesen, dass die Türkei nicht per Gesetz, sondern seit Verhängung des Ausnahmezustandes per Dekret regiert wird. Es heißt zwar ‚Dekret mit Gesetzeskraft‘, doch die Realität ist längst eine andere. Gesetze sind in der Türkei mittlerweile ohne jegliche Bedeutung. Das Dekret hingegen ist nicht nur Gesetz, denn gegen Gesetze kann man angehen, ein Dekret ist allmächtig und kann nur durch ein Folgedekret aufgehoben werden.

Mit dem neuen Dekret 693 untersteht der türkische Geheimdienst (MIT) nicht mehr dem Ministerpräsidenten und ist über ihn dem Parlament verpflichtet, der MIT untersteht nun direkt dem Staatspräsidenten. Das zeigt die Verschiebung von Macht und Einfluss zu Gunsten des Präsidenten, sprich Erdogan, und den traurigen Rests des parlamentarischen Gerüsts in der Türkei. Mit dem 25. August trägt der türkische Staatspräsident die volle politische Verantwortung von Erfolgen bzw. Misserfolgen des MIT. Aber dies Bedeutet auch, eine Untersuchung von Misserfolgen des MIT, sollte das in der Türkei jemals in Erwägung gezogen werden, ist jetzt so gut wie unmöglich und hängt vor allem von der Genehmigung durch den Präsidenten selbst ab.

Just in diesem Moment wartet der MIT mit einer Operation auf, die ein totaler Misserfolg wurde und nicht folgenlos ist.

Am 24. August wird völlig überraschend der Jahre lange Vertreter der YNK (Patriotische Union Kurdistans, südkurdische Partei) in Ankara, Behruz Gelali, aus der Türkei ausgewiesen. Behruz Gelali selbst übt sich in Zurückhaltung, doch in den darauf folgenden Tagen überschlagen sich die Meldungen, sodass keine 3 Tage später die Hintergründe mehr oder weniger offen liegen.

In der Tageszeitung Yeni Özgür Politika vom 28. August heißt es in einer Zusammenfassung und dem Kommentar von Ferda Çetin: „Der türkische Staat hat Behroz Gelali, der 15 Jahre lang der Vertreter der YNK in Ankara war, ausgewiesen und das Büro der YNK geschlossen. Eine Stunde bevor der Entschluss das Büro zu schließen fiel, ist der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu in Hewler (Arbil) mit einer Delegation der YNK zusammen getroffen. Der Delegation gehörten Sadi Ahmed Pirê, Mitglied des Politbüros der YNK und Kubat Talabani an. Mevlüt Çavuşoğlu forderte bei dem Treffen die Rückgabe jener MIT-Agenten, die bei den Vorbereitungen von Attentaten auf führende Kader der PKK verhaftet worden sind und sich nun in der Hand der PKK befinden. Çavuşoğlu legte bei dem Treffen das Auftreten eines Gouverneurs einer Kolonialmacht an den Tag und bedrohte die Delegation der YNK und stellte ihr ein Ultimatum von einer Stunde. Als er von der Delegation keine Garantie und keine Zusicherungen bekam, wurde als Reaktion darauf das Büro der YNK (in Ankara) geschlossen.

Sadi Ahmed Pirê, Mitglied des Politbüros der YNK erklärte daraufhin: „Der türkische Geheimdienst führt in einem Gebiet, das unter Kontrolle der YNK steht, eine erfolglose Operation durch. Als die Operation schief läuft werden Agenten des MIT entführt. Gleich im Anschluss daran weißt Ankara unsere Vertreter (in Ankara) aus.“

Die „erfolglose Operation“ des MIT, von der Sadi Ahmed Pirê da spricht, richtete sich gegen führende Kader der PKK. Diese Operation wurde in Südkurdistan, das sich auf dem Weg zu einem Referendum über die Unabhängigkeit befindet, ausgeführt. Auch befinden sich in Südkurdistan 18 Stützpunkte der Türkei  so wie in Hewler, Dohuk, Zaxo und Kerkuk Büros des Geheimdienstes MIT. Die Aktivitäten der Agenten des MIT wurden weder vom Geheimdienst der YNK noch von der der PDK (Demokratische Partei Kurdistan), der Parastini, aufgedeckt. Es war die PKK, die Ziel der Provokation und des Attentats werden sollte, die dies aufdeckte und machte die Agenten unschädlich.

Vorangestellt hat der Autor der Zeilen eine Anekdote von einer Operation des MIT gegen die PKK aus dem Jahre 1982. Diese wollen wir dem Leser nicht vorenthalten.

Ferda Çetin schreibt: „In den Tagen, in denen der Krieg zwischen Israel und Palästina tobte, das war 1982, da war Cemil Bayık, einer der Gründer der PKK, im Libanon. Eine Gruppe bewaffneter und maskierter führte eine Operation auf das Haus, in dem er in Beirut lebte, durch und entführte ihn. Zelal aus Dersim sah was vor sich ging, benachrichtigte sofort die Freunde, die in der Nähe waren, und folgten der bewaffneten Gruppe unauffällig. Sie umstellen das Haus, in das Cemil Bayık verschleppt wurde, und befreiten ihn. In der Gruppe des MIT, die auf diese Weise unschädlich gemacht worden war, waren Bedienstete der türkischen Botschaft. Einer in der Gruppe war auch Mitglied der KUK und Kurde. Die Operation der PKK in Beirut war die erste Gegenoperation der PKK gegen den MIT.“

Aber der Autor weist auch darauf hin, dass Drohungen von Seiten türkischer Politiker in Richtung PKK nicht auf die leichte Schulter zu nehmen seien und nicht als Propaganda abgetan werden sollten. Vielmehr sollten sie parallel zu den Aktivitäten des MIT gesehen werden. Dieser habe seit 2016 seine Aktivitäten in Europa und Südkurdistan forciert und Teams mit dem Auftrag der Durchführung von Attentaten in Gang gesetzt …

 Yeni Özgür Politika, 28.08.2017, ISKU

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