Ein Aufruf der Co-Vorsitzenden des Demokratischen Gesellschaftskongresses der KurdInnen in Deutschland bezüglich der bundesweiten Protestaktionen für Öcalan, 21.10.2017
Sehr geehrte Damen und Herren,
auf unserem Aufruf vom 16.10.2017 hin, sind seit Anfang dieser Woche tausende Kurdinnen und Kurden in Deutschland in dutzenden Städten auf die Straßen gegangen, um von ihrem Demonstrationsrecht Gebrauch zu machen. Sie fordern Klarheit über die Situation Abdullah Öcalans, dem seit 1999 auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali inhaftierten wichtigsten kurdischen politischen Repräsentanten. Anlass für die Proteste sind Meldungen in den türkischen Medien aus dem vergangenen Wochenende, wonach Öcalan im Gefängnis verstorben sei. Öcalan ist die Schlüsselfigur für eine politische Lösung der kurdischen Frage und die Demokratisierung der Türkei.
Als Demokratischer Gesellschaftskongress der KurdInnen in Deutschland (NAV–DEM) sind wir jedoch bestürzt darüber, wie in verschiedenen bundesdeutschen Städten die Polizei mit Willkür und Schikane gegen demonstrierende Menschen vorgeht. Mit einem Rundschreiben vom 2. März 2017 an die Länderbehörden hatte das Bundesinnenministerium (BMI) das seit 1993 bestehende PKK-Verbot de facto noch einmal ausgeweitet. Selbst die Fahnen der nordsyrisch-kurdischen Partei der Demokratischen Einheit (PYD) sowie der kurdischen Selbstverteidigungskräfte YPG und YPJ (Volks- und Frauenverteidigungseinheiten) sind demnach verboten. Und auch die Fahnen der Identifikationsperson der kurdischen Gesellschaft Abdullah Öcalan dürfen nicht mehr öffentlich gezeigt werden, vermeintlich wegen dessen „hohen emotionalisierenden Wirkung“.
Die vergangen Proteste waren geprägt von Vorfällen, die zeigen, dass die Polizei erwartungsgemäß keine Differenzierung der konkreten juristischen Umstände vornimmt, sondern zwischen den Symbolen von PKK und den legalen syrischen Organisationen keine Unterscheidung trifft. Immer wieder stoppte die Polizei in den vergangenen Tagen die Demonstration und forderte die TeilnehmerInnen auf, Fahnen der YPG aus der Demonstration zu entfernen. Wir können deshalb als Veranstalter der Demonstrationen nur noch einmal betonen: Das Verbot von Öcalans Bildern gefährdet nicht nur die Bestrebungen der kurdischen Seite für eine politische Lösung der kurdischen Frage, sondern auch eine Demokratisierung der gesamten Region. Zudem untergräbt es den politischen Willen von Millionen Menschen weltweit.
So berichten unsere Mitglieder in Berlin, dass ihnen von der Polizei selbst verboten wird, bestimmte Slogans zu rufen und sie mit Übergriffen bedroht werden. In Aachen, Hannover und Hamburg wurden unseren Mitgliedern die Flyer beschlagnahmt, mit der Begründung, dass sie Bilder von Öcalan erhalten. Während die IS-Hauptstadt zusammen mit der internationalen Koalition vornehmlich von YPG/YPJ Kämpfern befreit wurde und dort nun ihre Fahnen gehisst werden, sind dieselben Fahnen in der Bundesrepublik auf absurde Weise verboten. Bei Zuwiderhandlung ist mit Festnahen und Geldstrafen zu rechnen.
Am Samstag werden nun in über 17 Städten Kurdinnen und Kurden mit der Forderung „Freiheit für Öcalan“ protestieren. Wir hoffen, dass sich die willkürlichen Maßnahmen der Polizei nicht wiederholen und die Versammlung- und die Meinungsfreiheit respektiert werden.
Hochachtungsvoll,
Ayten Kaplan und Tahir Köcer
Co-Vorsitzende von NAV-DEM