In Berlin begann der Prozess gegen den kurdischen Politiker Hıdır Y. (48). Am 16. Februar 2016 war Hıdır Y. in seiner Wohnung in Frankfurt verhaftet und nach Berlin verbracht worden. Das Verfahren läuft im Rahmen des § 129 b (Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation im Ausland). Die Anklage wirft ihm vor, Verantwortlicher der PKK im Gebiet Sachsen-Anhalt gewesen zu sein und Leitende Funktion im Gebiet Nord inne gehabt zu haben. Die Rechtsanwälte von Hıdır Y. hatten bereits am ersten Tag eine Einschränkung des Rechts auf Verteidigung moniert. Während des Prozesses sind, wie seiner Zeit im umstrittenen Düsseldorfer Prozess, sowohl Hıdır Y., als auch sein Dolmetscher durch eine Panzerglaswand von dem Rest der im Saal befindlichen Menschen getrennt. Diese Art des Saalaufbaus behindert ganz offensichtlich die Verteidigung, da eine direkte Kommunikation zwischen Anwalt und Mandanten so natürlich nicht mehr möglich ist.
Die kurdische Bevölkerung begreift die Prozesse als Ausdruck einer permanenten Kriminalisierung. Sind sie schon im Heimatland der Verfolgung ausgesetzt – die Türkei unter Erdoğan ganz offensichtlich zu einem diktatorischen Willkür-Regime mutiert –, sehen sie sich hier erneut verfolgt. Einer Verfolgung, die auf Grundlage sehr zweifelhafter Einschätzungen beruht, sind doch erst kürzlich Aktivitäten des MIT und eine Infiltration bis in Polizeikreise hinein bekannt geworden. Doch man mache sich keine Illusionen, das ist erst die Spitze eines Eisbergs. In wie weit das auch politische Auswirkungen hat wird möglicher Weise nie geklärt werden, schon deshalb, weil wohl auch niemand, außer den Betroffenen, ein Interesse daran hat, dies aufzuklären. Bisher hat zumindest niemand einen Untersuchungsausschuss gefordert, um die Rolle von diversen Strukturen im Hinblick auf die Erteilung der Verfolgungsermächtigung der PKK zu beleuchten.
Der nächste Prozesstag findet bereits am 7. September statt. Darüber hinaus kann man nur an die Politik appellieren endlich zu handeln und diese unsägliche Praxis durch politische Entscheidung, gerade auch im Kontext auf die eigene geschichtlichen Erfahrung mit dem Faschismus, neu zu bewerten und zu beenden.
ANF, 6.9.2017, ISKU