24 Jahre PKK-Betätigungsverbot in Deutschland

PKK-Verbot aufhebenErklärung zu

24 Jahre PKK-Betätigungsverbot in Deutschland

Bundesregierung verschärft die Verfolgung

Am 26. November 1993 trat das vom damaligen Bundesinnenminister Manfred Kanther verfügte  Vereins- und Betätigungsverbot für die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) sowie angebliche Tochter- und mögliche Nachfolgeorganisationen in Deutschland in Kraft. Auf dieser Grundlage fanden in den letzten 24 Jahren zehntausende von Strafverfahren statt, wurden Grundrechte der in Deutschland lebenden Kurdinnen und Kurden außer Kraft gesetzt, Demonstrationen und Kundgebungen verboten. Politisches Engagement ohne jede strafrechtlichen Verstöße ist vielen Kurdinnen und Kurden ohne deutschen Pass unter Maßgaben des Ausländerrechts zum Verhängnis geworden. Einbürgerungen wurden verweigert, der Asylstatus wieder aberkannt und Menschen per Ausweisungsverfügung die Aufenthaltserlaubnis und damit jeden Status auf eine gesicherte Lebensgrundlage in Deutschland entzogen. Kurdische Einrichtungen und Vereine waren flächendeckend der Bespitzelung durch Polizei und Geheimdienste ausgesetzt.

Kurdische politische Gefangene

Schon seit Ende der 1980er Jahre wurden Dutzende kurdischer Aktivisten auch mittels der umstrittenen Paragraphen §129 und §129a Strafgesetzbuch (StGB) als Mitglieder in einer inländischen kriminellen oder terroristischen Vereinigung angeklagt und zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Als mangels Tatbeständen die Anklagen zurückgingen, kam 2010 der Bundesgerichtshof der Regierung zur Hilfe und legte nahe, kurdische Aktivistinnen und Aktivisten auch nach dem im Jahre 2002 eingeführten §129b als Mitglieder einer ausländischen terroristischen Vereinigung zu verfolgen. Aufgrund dieses Paragraphen erfolgten bislang 20 Verurteilungen. Derzeit befinden sich 9 Aktivisten auf der Grundlage des §129b in Untersuchungs- oder Strafhaft.

BMI kündigt friedlichen Kontext auf

Als Anfang der 1990er Jahre die Auseinandersetzungen bei kurdischen Demonstrationen eskalierten, kamen Politik und Sicherheitsbehörden zu der Einsicht, dass allein mit Repression der politische Wille von ca. 800.00 Kurdinnen und Kurden nicht zu unterdrücken ist. Parallel zur weiteren strafrechtlichen Verfolgung gab es – in den verschiedenen Bundesländern unterschiedlich gehandhabt – einen informellen modus vivendi, der den Kurd*innen die Möglichkeit gab, ihrer politischen Identität ohne Störung durch die Polizei Ausdruck zu geben, etwa bei dem inzwischen seit 25 Jahren alljährlich insbesondere in NRW stattfindenden kurdischen Friedens- und Kulturfestival.

Dieser informelle Konsens wurde mit einem Rundschreiben des Bundesinnenministeriums (BMI) vom 2. März dieses Jahres ohne weitere Erklärung aufgekündigt. In dem fünfseitigen Papier werden die Sicherheitsbehörden der Länder angewiesen, insbesondere das Zeigen des Bildnisses von Abdullah Öcalan zu unterbinden, da dieser stellvertretend für die PKK stünde. In einer beigefügten Liste mit nunmehr insgesamt 33 verbotenen Symbolen waren erstmalig auch die syrischen Organisationen YPG/YPJ und PYD als ausländische „PKK-Ableger“ gelistet.

Türkei-Politik auf Kosten der Kurd*innen

Seitdem leisten sich die Sicherheits- und Versammlungsbehörden einen Wettlauf darum, kurdische Versammlungen und politische Aktivitäten zu torpedieren, stets angefeuert von der türkischen Regierung, der das natürlich alles noch nicht ausreicht. Bei der zentralen Newrozfeier in Frankfurt/Main Ende März beschränkte sich die Polizei noch auf das Dokumentieren angeblicher Straftaten durch das Zeigen Hunderter Öcalan-Fahnen, woraufhin die Türkei umgehend aus Protest den deutschen Botschafter einbestellte. Bei dem im September in Köln durchgeführten kurdischen Kulturfestival erließ die Versammlungsbehörde die schikanöse Auflage, weder Essens- noch Getränkestände zuzulassen. Öcalan-Fahnen und ein großes Porträt von ihm auf der Bühne tolerierte die Kölner Polizei. Dies rief wiederum die türkische Regierung und das Bundesinnenministerium auf den Plan mit dem Hinweis, Abbildungen von Öcalan seien in jeder Form untersagt. Bei einer Demonstration für die Freiheit von Abdullah Öcalan am 4. November in Düsseldorf wurde dann jede Zurückhaltung aufgegeben, die Demonstration aufgrund der Öcalan-Fahnen eingekesselt, Teilnehmer*innen mit Pfefferspray attackiert und die Versammlung aufgelöst. Am gleichen Tag trafen sich der deutsche Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) mit seinem türkischen Kollegen Mevlüt Çavușoǧlu in Antalya, um über eine Verbesserung der deutsch-türkischen Beziehungen zu verhandeln. Das Verbot von PYD- und YPG-Fahnen gehört mittlerweile zu den Standardauflagen bei kurdischen Demonstrationen und wird rigoros umgesetzt.

Repression wegen politischer Hilflosigkeit

Was treibt die deutsche Politik zu einer Ausweitung des PKK-Verbots zu einem Zeitpunkt, an dem die deutsch-türkischen Beziehungen nicht zuletzt durch die Inhaftierung  deutscher Journalist*innen nach offiziellen Angaben einen Tiefpunkt erreicht haben? Ein Aspekt ist sicherlich, der Türkei in einem Punkt entgegen zu kommen, der sich mit den Interessen der Bundesregierung deckt. Die Entwicklung in Syrien, vor allem nach der Befreiung von Rakka, wird von der deutschen Regierung mit Argwohn verfolgt. Durch das de facto-Bündnis mit den USA und die bestehenden politischen Kontakte zu Russland besteht erstmalig die Möglichkeit, dass die kurdische Befreiungsbewegung – vertreten durch die PYD – zum international anerkannten politischen Akteur wird. Die deutsche Bundesregierung hatte bislang militärisch und ökonomisch allein auf den Präsidenten der kurdischen Autonomieregion Nordiraks, Barzanî und den mit diesem eng verbundenen türkischen Regenten Recep Tayyip Erdoǧan gesetzt. Durch das misslungene Referendum Ende September ist nun Südkurdistan selbst zum Krisenherd geworden mit ungewissem Ausgang. Die verstärkte innenpolitische Repression gegen die kurdische Befreiungsbewegung ist hier auch als Ausdruck der Hilflosigkeit der Regierung gegenüber den außenpolitischen Entwicklungen im Mittleren Osten zu deuten.

Was tun?

Zum einen lohnt es sich, den juristischen Weg zu gehen. So haben die Veranstalter gegen die Auflage, die Symbole von PYD und YPG auf einer Demonstration zum Welt-Kobanê-Tag 2016 in Frankfurt/M. nicht zu zeigen, vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt/M. erfolgreich geklagt, so dass dort der diesjährige Kobanê-Tag möglich war. Klagen in anderen Städten laufen derzeit.

Zum anderen stößt die Revolution in Rojava nach wie vor auf große Sympathien. Das zeigte sich nicht zuletzt bei der Abschlusskundgebung gegen den G20-Gipfel in Hamburg, bei der Tausende die Fahnen der YPG demonstrativ mit sich trugen. Eine effektive Gegenöffentlichkeit, die die Absurdität der aktuellen deutschen Politik – vor allem auch gegenüber der Person von Abdullah Öcalan – entlarvt, ist nötig. Ebenso bedarf es mehr Solidarität mit den kurdischen politischen Gefangenen in Deutschland: Sie befinden sich symbolisch für die ganze Bewegung im Gefängnis.


AZADÎ e.V.

Rechtshilfefonds für

Kurdinnen und Kurden in Deutschland, Köln

23. November 2017

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