AMED – Die Familien der vier Jugendlichen, die vom türkischen Staat in Amed (türk. Diyarbakır) ermordet wurden, führen seit 12 Tagen einen Hungerstreik. Ihr Ziel ist die Herausgabe der Leichname ihrer Kinder, da der Staat bisher jeglichen Zugang verweigert. Der Staat machte gestern das Angebot, dass die Familien zu den Leichnamen ihrer Kinder können, zog es jedoch kurzfrisitig wieder zurück, die Familien erklärten dazu: „Der Staat hat uns betrogen!“.
Seit 43 Tagen widerstehen die Einwohner_innen der unter einer 24 Stunden Ausgangssperre stehenden Altstadt Sûr (türk. Sur) in Amed den anhaltenden türkischen Angriffen, bei denen viele Menschen umgebracht wurden. Die dort lebenden Jugendlichen Mesut Seviktek und İsa Oran wurden am 22. Dezember ermordet, darauf folgte Ramazan Öğüt am 30. Dezember und Rozer Çukur (16) am 8. Januar.
Die türkischen Staatskräfte verweigern den Familien weiterhin die Leichname ihrer Kinder zu bergen und zu angemessen zu bestatten. Als Reaktion darauf führen die Familien nun seit 12 Tagen einen Hungerstreik. Gestern machte der Gouverneur das Angebot, die Ausgangssperre für 2,5 Stunden zu unterbrechen, damit die Familien die Leichname bergen können. Als schließlich eine Delegation eintraf, haben die staatlichen Strukturen ihre Meinung geändert und verweigerten aus „Sicherheitsgründen“ die Bergung der Leichen.
Rozerin Çuker’s Mutter, Fahriye Çukur sagte, dass ihre Tochter (die im letzten Jahr ihrer Schullaufbahn umgebracht wurde) davon träumte Psychologin zu werden. Sie erzählte, dass Rozerin ein sehr feinfühliges Kind war.
„Sie aß nicht einmal Huhn. Sie sagte uns, ‚ihr habt kein Gewissen. Was gibt euch das Recht dies einem Huhn anzutun und es zu essen?’“, so Fahriye. „Sie weinte um die Tiere, die die Menschen aßen, aber der Premierminister hat kein Mitleid und kein Erbarmen mit ihr oder den anderen Jugendlichen.“
„Was will der Staat von uns?“, fragt Fahriye, die betonte, dass wenn der Staat so mit den Leichnamen umgeht, es nur all zu logisch ist, dass die Menschen sich erheben und zu den Waffen greifen. Sie erklärte, dass wenn der Staat weiterhin so mit den Leichnamen umgeht, auch die Mütter bald zur Waffe greifen werden. Sie rief alle Mütter auf sie und alle anderen Mütter im Hungerstreik zu unterstützen.
„Die Gouverneur sagte uns, wir bekommen die Erlaubnis die Leichname zu bergen, als wir dies hörten waren wir überglücklich.“, so Fahriye, die hinzufügte, dass der Staat seine Erlaubnis zurück nahm und dies nur ein Trick war, um Menschen auf die Straßen zu locken, um sie zu töten. „Denkt euch bloß, eine Mutter die glücklich ist, weil sie den toten Körper ihres Kindes bergen kann. Wie kann das sein? Es bedeutet, dass die Menschlichkeit gestorben ist“.
Zara Baran, die Tante von Ramazan Öğüt sagte: „Jede_r sollte beschämt über solch ein Land sein, indem Mütter Glück verspüren, wenn sie die leblosen Körper ihrer Kindern holen dürfen“.
„All das Leid, nur weil wir Kurd_innen sind. Sie erschießen unsere Kinder mit Panzern und Mörsern und dann wollen sie nicht einmal die Leichname hergeben. Sie müssen selbst vor unseren Toten Angst haben. Aber wir haben keine Angst!“, so Zara.
Güler Seviktek, Mesut Seviktek’s ältere Schwester beschreibt den Moment, als ihnen gesagt wurde sie können den Leichname holen. Sie sagte die Familien lachten und weinten gleichzeitig. „Wir waren so nervös, wir fühlten uns so, als würden wir unsere Kinder wiedersehen.“, so Güler. „Als ob sie noch am leben wären. Dann verweigerte der Staat der Delegation den Zutritt, um die Leichname zu bergen und sie kehrten zurück mit leeren Händen“.
„Wir werden niemals vergessen, was der Besatzungsstaat uns antat!“, so Güler.
JINHA, 13.01.2016, ISKU