Deeskalation und Dialog statt Eskalation und Verbot

Nav-Dem: Pressemitteilung zu den Diskussionen um eine Konkretisierung des PKK-Verbots im Gefolge des 25. Kurdischen Kulturfestivals in Köln

Deeskalation und Dialog statt Eskalation und VerbotNach dem von uns am vergangenen Samstag in Köln organisierten 25. Internationalen Kurdischen Kulturfestival, das mit teils abstrusen Auflagen belegt war, prüft das Innenministerium eine Konkretisierung des PKK-Verbots. Hintergrund dessen ist die Empörung der türkischen Regierung, die u.a. in dem Einbestellen des deutschen Botschafters – übrigens zum 16. Mal in seiner zweijährigen Amtszeit – zum Ausdruck kam. Auf dem Festival waren hunderte Bilder des inhaftierten PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan, den 2015 im Rahmen einer Unterschriftenkampagne über 10 Millionen Menschen weltweit zu ihrem politischen Repräsentanten erklärt hatten, gezeigt worden.

So wie das Innenministerium möchten auch wir die Thematik des PKK-Verbots konkretisieren. Konkretisieren steht jedoch für uns ganz im Zeichen von Deeskalation und Dialog.

Denn die Aufhebung des PKK-Verbots, das 1993 vom damaligem Innenminister verfügt und von uns im Hinblick auf eine friedliche und politische Lösung der kurdischen Frage stets als falscher Weg angeprangert wurde, ist längst hinfällig.

Warum?

Mit dem PKK-Verbot begann eine Welle der Kriminalisierung gegen einen nicht unerheblichen Teil der kurdischen Community in Deutschland. Die Einschränkung des Versammlungsrechtes, die Verweigerung der Einbürgerung sowie tausende Ordnungs- und Strafverfahren sind nur einige Beispiele hierfür. So stellt das Verbot auch ein erhebliches Integrationshindernis für die Kurdinnen und Kurden in Deutschland dar. 

Die PKK genießt in weiten Teilen der kurdischen Gesellschaft, so auch in Deutschland, hohes Ansehen, denn sie ist der Ausdruck ihres Freiheits- und Friedenswillens.

In den vergangenen Jahrzehnten, insbesondere aber im Hinblick auf den Kampf gegen den IS, ist die PKK zu einem zentralen Faktor und vor allem Akteur nicht nur im Mittleren Osten, sondern auch auf der internationalen politischen Ebene geworden. Es geht ihr dabei nicht allein um die Rechte des kurdischen Volkes, sondern auch und vor allem um eine demokratische Gestaltung des Mittleren Ostens, frei von ethnisch und konfessionell konnotierten Konflikten.     

Im Hinblick auf einen demokratischen Mittleren Osten – eine politische Lösung der kurdischen Frage ist hierfür unerlässlich – hat Herr Abdullah Öcalan eine Schlüsselposition inne. Für die kurdische Bewegung ist sein Konzept eines konföderal strukturierten, freiheitlich, demokratisch, ökologisch und gendergerecht organisierten Mittleren Ostens prägend. 

Ein weiteres wichtiges Signal, warum dieses Verbot längst hinfällig ist, kommt aus der Justiz. Im benachbarten Belgien urteilte das oberste Berufungsgericht, dass die PKK keine Terrororganisation sei.

Doch welche Haltung hat die Bundesregierung?

Zunächst einmal ist die Kritik an der türkischen Regierung und ihrer untragbaren Vorgehensweise gegen alle Andersdenkenden zu begrüßen. Allerdings müssen dieser Kritik des Nachdrucks wegen Taten folgen.

Eine Konkretisierung des PKK-Verbots, dem Verständnis des Innenministeriums nach also eine Vertiefung des Verbots, ist das falsche Signal. Die im März dieses Jahres erfolgte erste sog. Konkretisierung beinhaltete nicht nur das Verbot einer gelben Flagge mit dem Aufdruck von Abdullah Öcalan, sondern, um das bizarrste Beispiel vorweg zu nehmen, auch ein Verbot der Fahne des Verbandes der Studierenden aus Kurdistan – eine Organisation mit hunderten Mitgliedern, die mehrheitlich hier geboren und aufgewachsen sind und an deutschen Universitäten studieren. Auch die Fahnen der PYD, im Hinblick auf eine Lösung in Syrien auf internationalem politischem Parkett ein unerlässlicher Partner, und der Volksverteidigungseinheiten YPG und YPJ, die in Syrien in den Reihen der demokratischen Kräfte Syriens einen heldenhaften Widerstand gegen den IS, aktuell u.a. in Rakka, leisten, sind von dieser Konkretisierung betroffen.

Das Verbot von Öcalans Bildern gefährdet nicht nur die Bestrebungen der kurdischen Seite für eine politische Lösung der kurdischen Frage, sondern auch eine Demokratisierung der gesamten Region. Zudem untergräbt es den politischen Willen von Millionen Menschen weltweit. Zumal Herr Öcalan seit zwei Jahren, also seitdem die türkische Regierung unter Erdogans AKP den Dialog mit der kurdischen Seite ad acta gelegt hat, auf der Gefängnisinsel Imrali einer Totalisolation ausgesetzt ist. Mit Aufkündigung der Friedensbestrebungen eskalierte der Krieg gegen die kurdische Bevölkerung. Amnesty international spricht von 750.000 Binnenflüchtlingen allein von Ende 2015 bis Mitte 2016. Ganze Stadtteile in Kurdistan wurden durch die türkische Armee dem Erdboden gleich gemacht, dutzende Menschen bei lebendigem Leibe verbrannt.

Nicht zu vergessen sind die politischen Repressionen: 12 Abgeordnete der progressiven HDP, einschließlich ihrer beiden Co-Vorsitzenden – übrigens einzige Partei im türkischen Parlament mit einer paritätischen Besetzung –, 84 gewählte Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie hunderte Funktionäre sind in Haft, nahezu alle gewählten Bürgermeister ihres Amtes enthoben und durch Zwangsverwalter ersetzt.

Und um nun den Bogen wieder zum Innenministerium zu spannen, darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass das Innenministerium selbst die Türkei als Aktionsplattform für islamistischen Terror bezeichnet hat – eine wichtige und zentrale Feststellung im Hinblick auf die Haltung der türkischen Regierung gegenüber dem IS.

Anstelle einer Konkretisierung und damit Vertiefung des Verbots ist zwingend ein Umdenken in der Kurdenpolitik, aber auch eine Neubewertung der PKK notwendig. Einzig richtige Konsequenz dessen ist die Aufhebung des inakzeptablen und längst hinfälligen PKK-Verbots.  

In diesem Sinne fordern wir Deeskalation und Dialog statt Eskalation und Verbot.    

Nav-Dem e.V.

21. September 2017

 

NAV-DEM 

Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland e. V.

Navenda Civaka Demokratîk ya Kurdên li Almanyayê

E-mail: info@navdem.com

Web:    www.navdem.com

Tel:      0157 33 88 12 94

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